Montag, 28. Dezember 2009

Planen, buchen, organisieren

Planen, planen, planen. Damit habe ich meine freien drei Tage ueberwiegend verbracht. Es wird jetzt alles sehr konkret. Mein naechster Schritt sind ein paar Tage in Byron Bay, wo ich zu surfen hoffe. Danach fahre ich nach Brisbane, um von dort nach Launceston in Tasmanien zu fliegen. Dort werde ich von Lyn und Phil umsorgt und am 20.Januar starte ich wieder mal richtig wandernd durch. Ich habe den Overland Track gebucht, der mit zu den schoensten Wanderungen der Welt gehoeren soll. 160 Dollar verlangen sie dort, dass man ueberhaupt losgehen kann. Und ach ja, noch 30 Dollar, dass man die Nationalparks in Tasmanien betreten darf. Zwei Tage spuelen also fuer dieses Vergnuegen und es ist mir nicht mal ein Huettenplatz garantiert, so dass ich Leos altes Zelt mitschleppen werde. Nun ja, Stewart Island war sicher haerter und ich bin sicher, ich werde eine grossartige Zeit haben. Nach Tasmanien fliege ich nach Melbourne, vor allem um die Nationalgalerie zu sehen. Und dann will mich Leo in seiner freien Woche sehen und er laedt mich gar auf einen Fuenftagestrip nach Bali ein. Mal sehen, ob das was wird oder wir einfach nur Perth und Umgebung anschauen. Die Westkueste muss doch ganz anders sein als die Ostkueste. Und Anfang Maerz geht es auf zu den buddhistischen Moenchen, denen ich Englisch beibringen werde. Und danach, ja danach werde ich wohl in Regensburg Anfang April eine dicke Party schmeissen muessen!

Die letzten drei Tage habe ich auch die Tiere bei Elizabeth und Vaughn gehuetet und deren riesigen Truck benutzen duerfen. In ihrem Wasserbett fuehlte ich mich ausgesprochen kuschelig. Bei all dem Regen konnte ich nur leider nicht in den Lamington National Park fahren, um dort durch Baeume in einem Skywalk zu kraxeln und Wildvoegel mit Koernchen zu versorgen. Es haette mich mit dem Auto den Berg hinuntergespuelt bei der Schuetterei. Schlimm war, dass ich wieder mal wenig Glueck mit den Tieren hatte. Ich versorgte sie alle mit Zuneigung und der vorgegebenen Futtermenge, aber das hat fuenf!!! Kueken nicht davon abgehalten tot im Gehege zu liegen. Jeden Tag ein neues von den kleinen putzigen Tierchen. Schrecklich! Elizabeth beschwichtigte mich, aber es tat mir eben doch sehr, sehr Leid. Die Ursache kenne ich noch nicht.
Als kleinen Ausflug ging ich durch weitere Teile des Nationalparks und guckte Wasserfaelle an. Einer, Cedar Creek Falls, ist besonders beeindruckend, kann man da doch auch von Pool zu Pool schwimmen und sogar von den Felsen ins Wasser springen. Ich bereue es sehr, dass ich keine Badeklamotten dabei hatte!

Ich habe mich mit meiner Steuererklaerung fuer Neuseeland bis dato eher unerfolgreich herumgeschlagen und rechne schwer herum, wie ich mir all meine Eskapaden der naeheren Zukunft finanziere. Ich glaube aber, es sollte bei meiner Sparsamkeit und den fruehen Buchungen alles glatt gehen. Lieber jetzt alles zusammenbauen, dann kann ich spaeter entspannt weiterfahren, wenn ich kein Internet mehr frei zur Verfuegung habe.

Mit all der Arbeit und Planerei bin ich etwas ausgepumpt und wenig konzentriert zu lesen oder zu zeichnen, so dass ich oft einfach nur einen Film gucke. Ich miste aus, ich schmeisse weg und ich verschenke, so dass ich hoffentlich hier schlank und fit herauskomme und fuer neue Abenteuer nicht mit Zeug ueberlastet bin!

Bei Elizabeth und Vaughn lag das Manuskript "Growing Healthy" von Geoff Buckley herum. Der Untertitel:"How to make 200.000 Dollars a year". Ich mochte vor allem ein Kapitel, das da betitelt ist "free workforces". Dort stehen an erster Stelle die Wwoofer, wobei die Empfehlung gegeben wird, doch nur solche aufzunehmen, die auch wirklich gut Englisch koennen, auf dass man wirklich das Maximum an Arbeit bekommt. Die sieben weiteren workforces sind der gute Boden, die Luft, der Regen und aehnliches. Ja, das bestaetigte doch sehr meinen ueberaus geldorientieren Eindruck bei Buckleys mit dem duennen Essen...

Wenn ich an Silvester nicht arbeite, bin ich von Carolynne ins Restaurant eingeladen. Hab ichs gut! Nach langer Zeit geh ich heute mal wieder laufen, vermutlich werde ich nach zehn Minuten in eine Wiese fallen und einen Lorikeet dabei erschlagen....

Samstag, 26. Dezember 2009

Nasse Spuelerweihnacht






Weihnachten - eine recht unspektakulaere Sache dieses Jahr. Ich hab mich beim Spuelen mit mehreren Dingen getroestet: ich feiere ein ganzes Jahr, da kann ich an diesem einen Tag wirklich anderen Menschen beim Feiern helfen, indem ich abspuelen Es hiess, ich werde zweieinhalb mal so gut verdienen. Und in der Kueche war die Stimmung wie immer gut, Chef Herman beschloss sogar er muesse auf mein Weihnachtsspuelphoto. Er ist ein recht verschmitzter Kerl und behauptet beharrlich, Daniel sei schwul, waehrend Daniel wiederum immer von seiner Freundin erzaehlt. Ich bin verwirrt und am Raetseln. Die ganzen Weihnachtstage hats geschuettet, wie ich noch nie Regen gesehen habe. Es kommt ja schon mal vor in Deutschland, dass es schuettet. Aber hier schuettet es unablaessig mit einer beeindruckenden Heftigkeit, die sogar dazu fuehrte, dass die hiesige Tankstelle unter Wasser stand und bis auf weiteres geschlossen ist, waehrend man den Tankwart nur noch mit dem Mop sieht. Kein Feierwetter also. Zudem gabs sogar mehr Geschenke als im letzten Jahr. Chefin Kerrie wartete mit Lindt Pralinen und pink champagne auf und ich bekam den ersten Christmas Cracker meines Lebens mit einem netten kleinen Jojo als Inhalt und einem Weihnachtswitz und Elizabeth und Vaughn ueberreichten mir Ferrero Rocher und eine fein riechende Bodylotion - die dritte Bodylotion, die ich auf dieser Reise bekomme. Scheint DAS Geschenk zu sein... Und eigentlich war ich ans Meer zu einer Weihnachtsfeier von Hausmeister Gary eingeladen und alle Bekannten versicherten sich, dass es mir auch gut ginge. Elizabeth fuehlte sich besser bei dem Gedanken, dass ich die Meerschweinchen, Katzen, Huehner und Fische huete, waehrend sie weg sind, so bin ich nun fuer ein paar Tage hierher gezogen und geniesse die Wonnen eines Wasserbetts. Sehr kuschelig, das. Bedauerlich ist allerdings, dass ich trotz gutem Zureden und vor allem Fuettern schon das zweite tote Kueken am genau gleichen Ort fand. Mann, was kann das nur sein? Ein vernuenftiger Jaeger killt doch nicht nur, sondern verspeist die Beute in der Folge... Selbstmord? Mir tuts jedenfalls sehr Leid. Zu meinem Wasserbettluxus hat man mir den Truck zur Verfuegung gestellt. Ein grosses Auto mit beachtlicher Ladeflaeche und Automatikschaltung, leider aber ohne Vierradantrieb. Das klingt albern, bei diesen Verhaeltnissen hier, bergig und teils unbefestigt, ist das keine dumme Investition und Vaughn ist wohl auch schon des oefteren stecken geblieben. Natuerlich liess ich das Licht brennen, als ich gestern im Supermarkt einkaufen war und natuerlich war dann meine Batterie leer. Zum Glueck war ein netter Koch nebenan, der mit mir anschob und dann fremdstartete. Nun habe ich drei Tage frei und freue mich maechtig darueber.
Kleine lustige Begebenheit: mein polnischer Kollege Pjotr und ich hatten Tische umzustellen und unterhielten uns nebenher ueber Filme. Ich: Ich hab mir gerade "Two Weeks Notice" angeschaut, mag aber auch Action und anderes. Die Bournefilme fand ich gut. Er, ganz ernst, nickend: Ahja, "porn", aeh...

Samstag, 19. Dezember 2009

Hoechst eigenes Porzellanglueck






Ha, mein Flug ist gebucht! Am sechzehnten Januar fliege ich nach Launceston in Tasmanien. Das war weit billiger als mit dem Zug und Schiff, was auch noch Tage gekostet hat. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen hab ich zugegeben dabei und das kann auch mein ein Dollar Carbonbeitrag nicht so richtig wett machen. Aber es sind immerhin drei Stunden Flug von Brisbane nach Launceston. Das Land ist ein Grosses. Das haben auch Leo und ich festgestellt, der sechs Zugstunden von Perth entfernt arbeitet und den ich wohl so bald nicht wieder sehe.
Heute, am Sonntag, habe ich ausgeschlafen. Bis halb sieben im Bett herumgeluemmelt, ein nachgerade ungewohntes Gefuehl. Man macht mich wirklich hart arbeiten, meist von sechs bis um vier. Gestern grub ich mit Pickel und Spaten, jaetete riesige Flaechen Unkraut und schrubbte dann stundenlang sauberes Porzellan auf Weihnachtshochglanz, so dass mir heute noch die Hand weh tut. In alledem haette ich verzweifeln koennen. Doch nein, irgendwann ueberkam mich das grosse Grinsen und ich hatte genau das gleiche Gefuehl wie im letzten Jahr am Strand in Raglan. Was auch immer ich mache, ich bin frei, mich dazu zu verhalten. Und ich kann gehen wohin ich will und ich kann tausend Dinge tun und vor allem kann ich gluecklich sein soviel ich will. Eigentlich keine neue Erkenntnis, aber als Gefuehl ueberwaeltigend.
Zudem bin ich weiter schwer beeindruckt von den netten Menschen hier. Herman, mein hollaendischer Quasichef, hat mir gestern fuer eine dreiviertelstunde das Fahrrad repariert. Es handelt sich um eines dieser Marketingmountainbikes. Zwar sind sie mit Federungsschnickschnack ausgeruestet, dafuer aber fast so schwer wie ein Auto und natuerlich ist alles locker und die Schaltung hat mehr Eigensinn als ich. Herman hat mit mir Schaltung repariert, Rad befestigt, Lenker geschraubt. Einfach so.
Meine Chefin Kerrie meinte, ich solle doch nicht zugeben, dass ich hier als Kuechenhilfe und Gaertner arbeite, wenn ich Sean saehe. Der kanadische Backpacker hatte vor mir den Job und war wohl ziemlich untauglich. Er sei aber so "sweet" und man wolle ihm nicht das Herz brechen. Daher bitte sagen, ich sei auf Besuch. Man suche fuer ihn gerade eine Wwoofinggelegenheit. Ja, wer kuemmert sich denn so um unfaehige Exangestellte? Bin fassungslos.
Und auf meinem Heimweg komme ich bei Elizabeth und Vaughn (der ueber Bodybuilding und Kunstdefinitionen promoviert hat) vorbei, wo ich vor einiger Zeit einen Abend lang babygesittet habe. Die beiden sind eigentlich immer daheim, was sie sich dank geschickter Anlagen in Haeuser auch gut leisten koennen. Ohne jemals viel Geld gehabt zu haben, sind sie in diese Investitionen eingestiegen und haben nun einige Haeuser, die sie vermieten und die Mieter bezahlen die Raten an die Bank. Klingt phantastisch und scheint fuer sie herrlich zu funktionieren, sie sagen, sie haben nie einen nine to five Job und wenn jemand aus der Familie morgen eine teure Operation braeuchte, koennten sie ein Haus verkaufen und das Geld zur Verfuegung stellen. Ich bin schwer beeindruckt. Sie winken mich auf dem steilen Heimweg auf ein kuehles Getraenk rein und haben mir ein Handy gegeben, nachdem mein altes krankte. Das Handy hatte keinen Akku und kein Ladegeraet. Da passten aber meine, so dass ich nun ein halbes altes und ein halbes neues Handy habe. Leider hab ich aber auch alle meine Nummern verloren. Ich wuerde mich freuen, eine SMS oder Mail von Euch lieben Menschen zu bekommen, die Ihr wieder in meinem Telefonbuch fest verankert sein wollt.
Vaughn und Elizabeth bauen ein kleines Haeuschen an das ihre, ein sogenanntes granny flat, und moechten gern, dass ich dort einziehe. Als Wwoofer und ueberhaupt. Nun sind sie bald fuer ein paar Tage ueber Weihnachten weg, da ueberlassen sie mir gern ihren Hausschluessel und ihr Auto, wenn ich die Weihnachtstage anders geniessen wollen sollte. Und ueberhaupt duerfe ich zwar nach Tasmanien, letztlich aber auf keinen Fall von hier wegziehen, das waere zu schade. Zu ihnen kommt taeglich Dave, ein Freund, den sie auf der Strasse kennengelernt haben. Er ist gut im Reparieren und ist auch in The Escarpment als Gelegenheitshandwerker angestellt. Auch er sprang gleich gen mein Fahrrad und zog hier was fest und dort was an. Und dann gibt es noch Shane, der fuer zehn Jahre mit seiner Frau durch die Welt gereist ist und nun einen Bioladen am Berg hat. Er wollte mich auch gleich als Wwoofer und warb mit seinem Swimming pool. Ich bin schwer fasziniert, dass mich alle wollen und mir helfen.
Carolynne, die Managerin von The Escarpment mit acht Kindern, lieh mir ihr Handy, als das meine aufgab und fuhr neulich mit dem Auto zu meinem Arbeitsplatz, um zu sehen, ob ich fertig bin und sie mich heimkutschieren kann. Sie kuemmert sich staendig um mein Wohlergehen. Eine unglaubliche kleine Gemeinde mit lauter grosszuegigen und hilfsbereiten Originalen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es grossartig ist, hier zu leben.
Sollte ich bei all der netten Gesellschaft aber trotzdem einsam sein, steht mir nun Seltendummerhase bei. Sein weiser Blick wies ihm den Namen als er aus einem Op Shop mit mir kam.
Ich will buddhistischen Moenchen Englisch unterrichten, vermutlich in Nepal. Gebucht ist das noch nicht, aber recherchiert. Ich glaube, das wird gut!

Dienstag, 15. Dezember 2009

Ausdauertraining der anderen Art

Na also- nun hab ich das Haus fuer mich allein. Meine Familie Gary, Tuty und die Kinder Yasmin, Gracie und Daniel sind nach South Australia geflogen und werden dort fuer zehn Tage bleiben. Zwar hatte ich gestern und vorgestern von meinem Job in Bunganyah frei, das bedeutete aber lange kein leichtes Leben. Vormittags half ich Carolynne, die "The Escarpment" managet, putzte Fenster (und davon gibt es viele), wusch Geschirr und putzte die Kueche. Danach kam ich ins Haus und war am Babysitten, Windeln wechseln und Kochen und wieder Spuelen. Und dazwischen backte ich einen Desasterschokogeburtstagskuchen fuer Tuty. Der Kuchen verlief halb im Ofen, war oben verbrannt und unten nicht durch, der Schokoladenguss liess sich nicht verstreichen und der Puderzucker sank unbesehen ein. Im Grunde fuehre ich momentan das Leben einer Mutter mit drei Kindern. Das hat durchaus seine Herausforderungen... Zumal meine Familie offenbar meint, all das sei doch gar keine Arbeit, ich sei eben Teil und damit immer verfuegbar. Das denkt Gary auch von der ueberarbeiteten Carolynne, die rund um die Uhr an der Rezeption verfuegbar sein soll. Sie meinte, das entspreche einem Stundenlohn von drei Dollar. Aber sie macht das. Sie hat ja auch acht! Kinder gross gezogen und ist nebenher noch eine haeusliche Perfektionistin, wie sie zugibt.
Gary meint zwar, er helfe, aber im Grunde ist er nur im Weg und in seinen langen Anweisungen was zu tun ist, faellt oft das Wort System, in seinen Handlungen, die man kaum sieht, erkennt man das aber wiederum nicht. Er meint, er hat alles im Griff, im Grunde schmeisst aber Carolynne den Laden und es ist wieder einmal interessant, wie kleine und grosse Unternehmen laufen. Nebenher laesst er bei jedem, der es nicht wissen will, fallen, dass er 50 Dollar in der Stunde koste, seine Zeit also sehr wertvoll sei. Aaaaaahaaa!
Aber man will ja nicht jaulen, ist die Familie doch wirklich nett und so bleiben mir von letzter Woche 412 Dollar Verdienst, wenn auch von meinen 18,50 Dollar Stundenlohn gleich immer locker 4,50 Dollar Steuern abgehen. Vier Wochen dieses Leben und ich bin fast reich! Momentan bin ich allerdings nur muede und mit ein wenig Magengrummeln von was auch immer am Filmgucken. Im Job war ich ganz geruehrt von unserem Chefkoch, zu dem ich sagte, dass ich es sehr schaetze, dass er mich so gut mit bestem Essen versorgt. Er meinte, ich mache meinen Job so gut, er wolle auf keinen Fall, dass ich gehe. Und auch meine andere Kollegin, mit der ich nachmittags die Zimmer machte, (von denen eines horrend stank nach einer durchsoffenen Nacht und deren sicht- und riechbaren Folgen auf den Laken) bedankte sich dafuer, dass es Spass mache, mit mir zusammenzuarbeiten. Das ist natuerlich fein. Natuerlich geht es "nur" um putzen und spuelen, aber ich gebe doch mein Bestes und glaube auch, dass man das tun sollte. Wenn schon arbeiten, dann richtig, so machts auch mehr Spass und die Zeit vergeht schneller. Ausserdem sind die Erinnerungen an die Zeit besser. All das ist ein wahres Durchhaltetraining. Aber ich kanns gut brauchen, wenn ich sieben Tage in Tasmanien den sogenannten Overlandtrack wandern will. Ich hoffe, dort ist es wirklich ein bisschen wie in Neuseeland, wie so viele Leute sagen. Ich ertappe mich doch sehr oft dabei, "Heimweh" nach Neuseeland zu haben. Ich sehe hier auch viel und lerne nette Menschen kennen, aber Australien ist mir bei weitem nicht so ans Herz gewachsen wie Neuseeland. Nun ja, ein weiteres Chaka! und eine Runde Vanillekipferl gebacken fuer meine lieben Kollegen auf eine weitere Woche werkeln.
Mein Handy hat heute seine treuen Dienste eingestellt. Nach vier Jahren, sowas! Ich weiss nicht, ob der Akku schuld ist, die Soft- oder Hardware, jedenfalls bin ich telefonisch bis auf weiteres nicht zu erreichen.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Vom Tellerwaescher, aber wohin?

Eiverpuepsche, meine Herren! Zwei Jobs sind mehr als eine Aufgabe. Nachdem ich gestern von halb neun bis halb drei am Babysitten war und nebenher mal eben das komplette Haus inklusive Schraenke putzte, durfte ich um fuenf aufs Radel steigen und eine halbe Stunde den Berg hinauf. Heiss isses, das Fahrrad ist billig und ich bin einfach nicht mehr ganz in der besten Fahrradkondition, zudem macht meine Achillessehne Probleme, denen ich mit Magnesium und Dehnuebungen beizukommen suche. Mein Resort am Berg ist dem absoluten Weihnachtswahn verfallen, ich glaub, ich hab bis dato nur annaehernd soviel Dekoration in spezifischen Weihnachtslaeden gesehen. Ein gigantisches Werk. Dort wurde ich nett empfangen, herumgefuehrt und auch beim Spuelen unterstuetzt. Das hat aber nichts an der Tatsache geaendert, dass ich Geschirr von 60 Leuten zu spuelen hatte, samt all der benoetigten Kuecheninstrumente. Da war ich ueber fuenf Stunden am Wienern in einem sehr tiefen Waschbecken, das fuer einen Gnom designt zu sein scheint. Nach Einweichen und Schrubben ging alles in die Maschine, die noch mal nachwusch und danach wird mit Hand jedes Teil getrocknet. Ich weiss nicht, wie man das alleine schafft. Dabei bekam ich einiges Lob, dass ich gut arbeitete. Kueche putzen, alles ausschalten, zusperren und dann ins tolle Bett in einem wirklich schicken Apartment im Haus fallen, das man mir einfach ueberlaesst, wenn ich bis in die Nacht arbeite. Als ich fertig war, wars zwoelf. Neben dem guten Bett, Dusche und Handtuch bekam ich ein erstklassiges Abendessen. Die Koeche machen einen hervorragenden Job mit nicht verkochten Gemuesen, vielen Sossen und Salaten und vor allem herrlichen Nachspeisen. Dazu sind sie alle wirklich sehr nett und ich war ganz ueberrascht, dass kein rauher Ton in der Kueche herrschte. Hart, aber gerecht, will mir scheinen. Ich sehe dort das Hotelbusiness in vielen Facetten, vermute ich. Vielleicht kann ich dorthin ziehen, ich versuche das gerade einzufaedeln. Vom Tellerwaescher zum Millionaer, das schafft wohl nur, wer nicht von der zimperlichen Sorte ist!

Dienstag, 8. Dezember 2009

Ideen zur Freiwilligenarbeit?

Ich bin extrem dankbar fuer Anregungen bezueglich meiner Freiwilligenarbeit. Meine noch ungehobelten Vorstellungen sind: lehren, am besten Kinder, Englisch oder andere Faecher, vielleicht mit Anschluss an ein Waisenhaus, Land nicht so entscheidend, kann Asien sein aber auch Afrika oder Suedamerika, sollte aber wo sein, wo ich nochmal eine andere Kultur erlebe und tja, am besten wenig Kosten... Vielleicht koennte ich zur Not noch etwas fundraising betreiben, mal sehen. Vielen Dank fuers Nachdenken!

Bezahlter Hansdampf in allen Gassen (besser: Renaissancemann - Frauen durften damals ja nix)








Leo hat sich am Sonntag an die Strasse gestellt und ist per Anhalter innerhalb Minuten nach Nerang zum Zug mitgenommen worden. Nicht schlecht, ist das doch eine halbe Stunde entfernt von hier. Leider hat er sich nicht mal verabschiedet von unseren Gastgebern, sondern ist einfach abgedampft, was ich weniger gut fand. Ich befürchtete, sie würden mir gegenüber sehr ungemütlich, auch wenn es nicht mein Vergehen war. Damit lag ich in gewisser Weise falsch: man brauchte Leo nicht als Anlass zu einigen Ungemütlichkeiten.
Mit potzlerscher Begeisterung hatte ich ihnen erzählt, dass ein Vorstellungsgespräch auf dem Plan stand. Um vier am Sonntag. Obwohl Leo und ich ihnen an unserem freien Tag noch mit Verladen in der Früh um sechs geholfen hatten, war es ihnen aber leider nicht möglich, mich dorthin zu fahren. Man sei schliesslich erschöpft nach dem Markt und könne keine 8 km fahren. So startete ich um zwei, um gegegebenenfalls laufen zu können, was allerdings nicht nötig war. Einen Kilometer weiter wurde ich von einem netten jungen Paar mitgenommen, die mich sogar direkt dorthin fuhren aus reiner Nettigkeit. Luxusautos vor der Tür und ein Schickimickiambiente mit einem schicken Manager, der mir eiskalt vorkam und das Versprechen, mich anzurufen, was dann bis jetzt nicht geschah. Man sagte mir, die hätten dort in den letzten zwei Monaten 32! Leute gefeuert...
Bev hatte Lea und Chris, den beiden jungen deutschen Mitwwoofern vorgeschlagen, dass sie sie mitnehmen könnten zu einem kleinen Örtchen namens Brunswick Heads nahe der Küste. Sie selbst fuhren gen Byron Bay, um dort mit ihren vier besten Freunden zu essen, wie Geoff stolz verkündete. Ich fragte, ob ich mitkönne und erwiderte scharf: nein! Ich fragte, warum nicht, er meinte, da sei nun wirklich keine Zeit. Und ich entgegnete, dass doch die anderen beiden mitdürften und warum ich nicht. Da schoss Bev aus dem Hintergrund und meinte, nein, sie habe die Wwoofer eingeladen, mitzukommen und ich könne natürlich auch mit. Zweimal protestierte er dann noch, dass das ganze unmöglich sei, man könne uns nicht rumkutschieren und habe nun wirklich keine Zeit für sowas. Bev gab nicht nach und wir kamen mit.
Brunswick Heads ist ein nettes kleines Örtchen, mit einem feinen Op-Shop, in dem ich mich für drei Dollar mit schwarzen Schuhen und zwei T-Shirts eindeckte. Ein Salzwasserfluss zum Reinspringen und ein Sandstrand daneben. Immerhin ein kleiner Ausflug, für den ich mich auch mehrmals bedankte.
Und ich wurde zu einem weiteren Vorstellungsgespräch eingeladen ins Bungunyah Resort. Zuvor luden mich aber noch meine Babysittereltern als Wwoofer ein, um Carolyn, die Rezeptionistin ihres Resorts The Escarpment zu unterstützen, wenn sie über Weihnachten wegfahren. Und natürlich auch, um babyzusitten und den Garten zu pflegen und zu streichen. Man könne mir ein Fahrrad leihen und ich könnte auch jobben, um Geld zu verdienen. Sie sind zudem sehr nett und ich stimmte recht begeistert zu.
Vorher musste ich freilich noch Bev und Geoff klarmachen, dass ich am nächsten Tag abreise. Man nahm das gelassen auf, was gut war und als ich erzählte, dass ich noch ein Vorstellungsgespräch hätte. Wie immer kein Kommentar, Mitgefühl oder Interesse. Ich sollte das Zimmer am nächsten Tag säubern und neu beziehen. Als ich das gerade in Angriff nahm, kam Bev einfach ungefragt in der Früh in mein Zimmer und schaute entsetzt: „What the hell is going on here?“ Sie bezog sich auf eine Matratze, die ich von einem Bett aufs andere gelegt hatte, weil die meine mich in eine Kuhle sinken liess, aus der ein Aufstehen unmöglich schien. Ich verteidigte mein bisschen Privatsphäre, das sei ja nun nicht ihre Sache. Sie dampfte ab. Ein bisschen später verabschiedete ich mich in der Küche, wo sie mir den Kommentar mitgab, es sei ja nun hochgradig unwahrscheinlich, dass ich einen Job fände und die mich nähmen. Danke auch! Ich sagte nichts, habe ich doch hier das Klappehalten ein wenig mehr gelernt.
Die Fahrradfahrt auf dem Berg stellte sich nicht nur wegen der Hügel, sondern vor allem wegen der Hitze als schweisstreibend heraus. Ausserdem bin ich nicht mehr in meiner alten Radelkondition. Aber, soviel vorweg: die baue ich nun sicher wieder auf. Ich wurde nämlich trotz oder wegen oder vermutlich doch sehr unabhängig von Bevs Weissagungen genommen und fange heute als Küchenhilfe an. Das Vorstellungsgespräch mit Chefin Kerrie und Koch Herman war nett und auch nicht zu lange. Ich werde helfen, den sogenannten community garden mit aufzubauen, an dem auch Bev und Geoff beteiligt sind. Ich werde abspülen, Vögel füttern und mit einem kleinen Traktor den Rasen mähen, bedienen und Betten machen, ganz nach Bedarf. Lustig ist, dass der Job mit Handyman, uebersetzt Heimwerker oder Handlanger, umschrieben war. Zu dem Job hat mir mein Training dieses Jahr verholfen: Noccundra für Küche und Bedienung, das Wwoofen für die Gartenarbeit. Und die Tatsache, dass ich studiert habe, nahm man freudig, vermutlich, weil es impliziert, dass ich auch ordentlich mit den etwas betuchteren Gästen reden kann. Und nach einer kurzen Hausbesichtigung ging es: Kerrie: What do you think, Herman? Herman: I think, we should grab Andrea straight away, Kerrie! Ich hab mich gefreut wie ein Schnitzel, 18,50 Dollar in der Stunde bei zirka 25 Stunden in der Woche mit 2 Tagen frei- wenn ich da einen Monat arbeite, kann ich mir meine Pläne finanzieren! Ein bisschen länger und ich komme nicht mal abgebrannt heim. Meine Interviewer wirken kernig und nett, auch wenn zu befürchten ist, dass das im Stress etwas untergeht. Wenn ich aber vor allem mit Herman im Garten arbeite, steht Gutes zu hoffe. Meine Schichten sind quer verteilt, manchmal recht früh (6 Uhr erster Spatenschwung) und dann am Abend nochmal, was sich geteilte Schicht nennt. Ich glaube, ich packe diese Herausforderung gut für eine Weile! Zumal ich mich sogar in deren Pool abfrischen darf und vermutlich auch in irgendeinem Eck uebernachten kann, wenn ich erst Spaetschicht bis zwoelf und dann wieder Fruehschicht um 6 im Garten habe.
Ich hoffe, dieser Job lässt sich mit meinen Wwoofingaufgaben kombinieren, werde ich doch gerade am Wochenende oft dort in der Früh sein müssen, das wäre aber die Zeit, in der man mich auch zum Frühstückhelfen für die Gäste in The Escarpment an meinem Wwoofingplatz bräuchte. Verhandlung, Diplomatie sind gefragt. Aber ich bin begeistert, wie sich alles in so kurzer Zeit gefügt. Auch wenn die viele Zeit nun nicht mehr da ist, zu zeichnen, malen und lesen. Dafuer bin ich nun babysittender Handlanger mit Bedienungs- und Kuechenpflichten. Klingt nicht nach Langeweile...

Samstag, 5. Dezember 2009

Wirtschaft hu, menschlich najapu






Und wieder einmal habe ich Leo verabschiedet. Er fuhr per Anhalter in den nächsten Ort, um von dort nach Brisbane zu kommen. Dort soll er medizinisch untersucht werden und sofern für gut befunden in den Norden verfrachtet, wo er unfassbar viel Geld als Koch in einem Goldminencamp machen wird können. Wir brauchen beide Geld, er muss sich da um sich kümmern und ich verstehe ihn gut, wenn ich natürlich auch traurig bin.
Zu Weihnachten wurden wir zu Rolf und Robyn nach Bundaberg eingeladen mit dem Kommentar, das sei ganz selbstverständlich, man gehöre schliesslich zur Familie. Wenn alle Stricke reissen, haben wir ein Plätzchen für die Feiertage und auch eines, an dem wir uns wohlfühlen.
Sue, David und Fergus Gough verliessen wir am letzten Samstag. Sue meinte, wir seien wirklich sehr gute Wwoofer und so nahm sie uns letztlich und alles in allem unseren gesunden Appetit, der sich gern mal an ihrem geliebten Joghurt und Müsli ausliess nicht allzu übel. Ich wusste schon beim Abfahren, dass ich den Pool vermissen würde und noch mehr Fergus, der in Leos Bett schlief und der mich regelmässig bellend und knurrend in und um den Pool jagte. Ich habe ein Leben am Stadtrand angetroffen, leider mit viel zu viel Gift im eigenen Garten, aber zwei Leuten, die es zu ein bisschen Wohlstand gebracht haben mit Dingen, für die sie eine Leidenschaft haben. Das lässt doch hoffen.
Beim ersten Anruf wurden wir in Mt Tamborine, 70 km südwestlich von Brisbane aufgenommen. Es war da die Rede von 5-Sterne Unterkunft und Essen und dazu werden Vorträge über die Beziehung zwischen gutem Essen und Gesundheit gehalten. Von all dem haben wir leider nicht viel gesehen und regelmässig standen wir hungrig vom Tisch auf, wo wir kleine, Portionen Gemüse zu essen bekamen, das man eigentlich dem Kompost überlassen hätte sollen. Dennoch ist es recht interessant hier. Ein striktes Regime, Arbeitsbeginn um halb sieben in der Früh, Unkrautjäten, wobei man grosse Gewächse mit viel Kraft aus dem Boden zieht, Bohnen pflücken, Karottenziehen, Kohl und Zucchini ernten und waschen, packen und verladen.
Geoff hat Informatik studiert, sich dann aber recht schnell ins Management verkrümmelt und in England gearbeitet, wo er die Australierin Bev traf und sie gemeinsam nach Sydney zogen. Bev war Lehrerin für Wirtschaft und Erdkunde. Sie kauften gemeinsam mit fünf anderen Familien einen Hof ausserhalb Sydney, der auch gemeinsam bewirtschaftet werden sollte. Das klappte allerdings nicht so recht und nachdem die zwei Söhne der beiden den Hof für eine Weile in Vollzeit bewirtschafteten, beschlossen sie, dann doch lieber selbst aufs Land zu ziehen und eine eigene kleine Farm zu haben. So wars denn Mt Tamborine, wo alles wunderbar wachsen soll, da es viel regnet, aber auch sonnig ist. Ihr Hof überblickt den Berg mit den vielen Bäumen und Regenwald aussenher. Hier lässt sich herrlich wandern und die Touristen kommen in Scharen in das 7000 Einwohner Dorf. Sie haben hier viel in Angriff genommen für Mt Tamborine, weitgehend aber, wie ich fürchte, für den eigenen Ruhm und Geldbeutel. Da gibt es den Bauernmarkt, zu dem jeder sein Obst und Gemüse aus eigenem Anbau bringen und verkaufen kann. Der Markt hat keinen Chef, wer dort an der Kasse steht, verdiente erst nichts, dann fünf und nun zehn Dollar. Für viele ist der Verkauf ein gutes Geschäft, verdienen sie doch im Schnitt drei bis vierhundert Dollar in der Woche. Geoff und Bev verdienen vermutlich weit mehr. Geoff ist eher der vergeistigte Typ mit einer Leidenschaft für Schach, der stets polierte schwarze Lederschuhe trägt. Diese wiederum scheinen ihn aber von ernsthafter körperlicher Arbeit abzuhalten, die eher Bev unternimmt. Jeden Dienstag fährt er zu foodconnect, einem Grossverteiler für Bioprodukte. Ich durfte diese Woche mitfahren und traf auf Rob, den Chef des Unternehmens. Er war Bauer bis die Riesenbetriebe ihm das Leben unmöglich gemacht haben. Dann hatte er die Idee dieses Bioverteilers, schlief zu Beginn in seinem Lagerhaus auf dem Boden, bezahlte sich selbst keinerlei Lohn und zog ein neues Unternehmen auf, das nun in vielen Bereichen Australiens kopiert wird. Auf Absprache liefern Privatleute und Kleinfarmen wöchentlich ihre Produkte ab. Dort werden sie neu verpackt und weiterverkauft. Nebenher konstruiert Rob Fahrräder, vor allem zum Gemüsetransport und mittlerweile auch mit Motor. Er scheint auch damit Erfolg zu haben. Bei foodconnect hängen Plakate mit neuen Ideen für die Firma an der Wand, man hört Musik und alle wirken recht glücklich. Im Büro sitzen ein paar Angestellte unter Bildern, die z.B. sagen: „Wear the old coat, buy the new book“. Rob will sich wiederholen, was man ihm weggenommen hat, meinte Geoff. Die Idee ist, dass die Kleinen etwas gegen die Grossen ausrichten. Daran glaubt auch Geoff, der meint, dass wir in kurzer Zeit durch das Erdbevölkerungswachstum nicht genug zu essen haben werden. Die Lösung sind nicht die Grossen, die auf viel Fläche proportional wenig anbauen können, sondern jeder einzelne kleine Garten mit eigenem Anbau. Je kleiner, desto mehr Nahrung pro Quadratmeter. Ausserdem gehen uns Erdgas und - öl aus, so dass sich Dünger und Gifte nicht mehr auf der herkömmlichen Basis herstellen lassen. Neben der Tatsache, dass sie schädlich für uns sind, seien sie ausserdem nicht besonders effektiv, da man ständig mehr spritzen muss und die Pflanzen anfälliger würden. Biopflanzen seien vitaminreicher, robuster und gesünder und die Schädlinge befielen letztlich nur die Schwachen. Gift haben wir hier auch wirklich noch nicht angetroffen, dafür aber eine hart arbeitende Angestellte und Chris und Lea, zwei weitere deutsche Wwoofer. Geoff gesteht frei, dass sie ohne die Wwoofer nicht machen könnten, was sie hier machen. Nämlich anbauen und wohl auch gut verdienen. Ich hatte die Hoffnung, dass hier das Geldverdienen mit dem Netten zusammengeht. Aber da wurde ich ein bisschen enttäuscht. Wir werden hier klar als billige Arbeiter angesehen, die das über gebliebene oder billige Essen bekommen und nicht so richtig Teil der Familie werden. Leider gibt es keinen öffentlichen Verkehr und wir werden zwar mitgenommen, wenn Geoff und Bev unterwegs sind, aber man fährt uns nirgends hin.
Da Leo nun diesen Job für sich ergattert hat, haben sich die Pläne zerschlagen, in die Nähe Melbournes zu reisen, wo er in einem Restaurant in den Bergen hätte arbeiten können. Ich wäre mitgekommen und hätte mich dort um Arbeit bemühen können, wobei die Unterkunft frei wäre und er mir sogar anbot, mir etwas von seinem Lohn abzugeben, da er nicht ohne mich dorthin wollte. Nun war klar, dass er alleine aufbricht, da im Camp kein Job für mich war. Zu schade, wäre zwar abgelegen, aber sicher interessant und vor allem sehr gut bezahlt mit Schichtarbeit für zwei Wochen und einer Woche frei. So bin ich wieder einmal auf mich allein gestellt. Ich habe mich für alles beworben, was nur im Ansatz in Frage kam. Als Nanny, als eine Art Pflegerin oder Aufpasserin für einen Mann mit Parkinson, dessen Frau Alzheimer und einen eigenen Pfleger hat, aber auch als Putzfrau, Werker für alles, Küchenhilfe und Bedienung in Mt Tamborine. Ich rief sogar bei Babysittereltern an, die mich noch am gleichen Tag zurückriefen, da ihr Babysitter abgesprungen war. Da hatte ich richtig Glück. Schon am Vortag hatten Geoff und Bev ein Essen in der Kommune und ich einen Babysitterjob bei Bodybuilder Vaughn und der filmstarschönen Elizabeth. Die beiden haben zwei nette Söhne, Xavier und Zane. Ich wurde vorgewarnt, dass alles furchtbar schwierig sein könnte mit Essen, Fernsehen, Schlafen und Baden. Die beiden waren phantastisch, sehr nett, sehr ruhig und um halb acht schliefen sie auf der Couch ein. Leicht verdiente fünfzig Dollar. Als Vaughn nach Hause kam, plauderte man noch ein wenig und ich fand heraus, dass er in Philosophie promoviert hatte, was mich freilich fast umgehauen hat. Er gab mir seine Arbeit mit, auf zweihundert Seiten redet er über Kunstdefinitionen und welche Stellung Bodybuilding als Kunstform einnimmt. Das ist immerhin interessant...
Gestern ein ähnliches Szenario: grosse Warnung, ruhiges Kind, daher kaum Arbeit, ausreichend Internetzeit und sogar ein besseres sättigenderes Essen als bei meinen Wwoofers. Ich wurde angerufen und für heute zum Vorstellungsgespräch um vier geladen. Job: Putzfrau und Bedienung. Die gestrigen Babysittereltern meinten, sollte ich den Job kriegen, könnte ich bei ihnen wohnen und ein wenig wwoofen, was freilich ideal wäre.
Leo meinte kürzlich, er habe noch nie jemanden getroffen, der so wenig Geld ausgibt. Das finde ich amüsant, war doch nicht nur meine Eigenwahrnehmung bis dato eine ganz andere. Ich bin jedenfalls bereit, für meine Pläne zu arbeiten, da ist der Job nebensächlich, solange er etwas mehr Geld bedeutet. Ich möchte meine Reise mit vier Wochen Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus abschliessen. Da denke ich an Thailand oder Afrika, wobei das Land weniger entscheidend als die Tätigkeit ist. Leider ist Freiwilligenarbeit meist recht teuer. Man arbeitet und zahlt...
Nach Tasmanien sind wir eingeladen und ich würde zu gerne nach Melbourne fahren und sehen, wie der Süden der Ostküste ist. Ich sehe, wie ich alles unter einen Hut kriege, bevor ich Anfang 2010 wieder nach Regensburg komme.

Sonntag, 22. November 2009

Histolisches Update fuel alle






Es ist heiss. Wirklich, ehrlich. Da gibts vor allem den Pool, der erheitert und erfrischt, zumal wenn Sohn und Enkel von Sue und David zu Besuch kommen und sich sogar Jack Russell Fergus zu einem Leuteinswasserjagenundgegebenenfallsselbstnasswerden ueberreden laesst. Den Vogel abgeschossen hat allerdings Sally, eine chinesische "commerce"-Studentin, die wiederum eigentlich Meijue heisst und deren Englisch fast so heiter wie ihre Schwierigkeit mit der offensichtlich so ganz anderen Gesellschaft ist. David hatte sie als weniger brilliante, dafuer aber sehr nette Schuelerin im Unterricht und lud sie kurzerhand zum Sonntagsbrunch ein. Da war sie dann wohl froh, in mir eine weitere Auslaenderin zu treffen und als wir gemuetlich an unseren Eier nibbelten, warf sie flockig zur vollen Runde an mich gewandt ein: "Sele was wal in Gelmany. I do not know any of si histoly of sis. Can you tell me about si wal?". Nicht dass ich besondere Empfindlichkeiten zum Thema Deutschland und Nazis haette, was mir das Dotter im Halse stecken liess war vielmehr diese kuriose Idee, dass der zweite Weltkrieg das ideale smalltalk Einstiegsthema ist. Ich war fasziniert und konterte mit meinem brillianten Geschichtswissen: boeser Mann Hitler will die Welt regieren, das finden nicht alle andere Laender so wahnsinnig gut und bremsen ihn und die der Raserei verfallenen Deutschen ein wenig. Seither ist man bescheidener in Deutschland. Ob sie nun besser Bescheid weiss ueber si war? Nett war auch, wie sie in heller Verzweiflung ihren von uns Gesundheitsaposteln kredenzenten Karotten, Sellerie, Ingwer, Rote Beete Saft von einem Moebelstueck zum anderen manoevrierte. Trinken wollte sie das Gebraeu nicht, wie ich gleich ihrem entsetzten Gesicht entnehmen konnte. Die Arme, leicht hat sies nicht, in dieser wilden, fremden Kultur.
Ich hingegen kann nur wahre Lieder auf diesen Saft trinken. Er spendet Kraft und Freude und wir gehen hier durch Kilos an Moehrchen. Sehr, sehr gesund. So gut, dass mans gleich spuert.
Ich putze hier Silber, das dann leider nicht hinreichend glaenzt und fuehle mich ganz in deutschen Standards. Das ist immerhin gewohnt. Und gute Arbeit wird gelobt, ausserdem arbeiten wir hoechstens vier Stunden taeglich und haben dazu interessante Gesellschaft. Gestern fuhr ich im Boetchen nach Brisbane in die Kunstgalerie, was ich wunderbar entspannend fand. Ausserdem schaue ich ein klein wenig anders auf die Bilder und in die Welt seit ich selbst so gerne zeichne. Ein grosser Buchladen, billige Buntstifte und mein Herz lacht.
Da gibt es weiterhin diesen Job, lockere 26 Busstunden noerdlich von hier. Hier ist es, sorry, schweineheiss und ich will bloss noch in den Pool. Dabei sind wir noch nicht mal bei 40 Grad. Dort ist es nass, mit vielen Fliegen und um die fuenfzig Grad. Ich glaube, ich will diesen phantastischen Putz-Bar-Kuechenhilfsjob mit nahezu ausschliesslich dauerbesoffenem Publikum nicht. Noccundra hat gereicht. Einmal reicht fuer die Erfahrung. Ich muss mir auch nicht mehr beweisen, dass ich durchhalten kann in Bedingungen, die mir so gar nicht gefallen. Tiefer als zu den Tomaten muss ich nicht greifen. Mein selbstgemaltes Job Wanted! T- Shirt hat erste kleine Fruechte getragen. Auf dem Markt am Samstag wurde ich angesprochen, ob ich nicht einen Marktstand fuer einen Tag betreuen wollte. Schade, dass ich von dort nur mit einem Auto heimgekommen waere und das Angebot nicht annehmen konnte. Ich mag jedenfalls meine offensive Suche. Bin gespannt, was weiter passiert.
Und ha: meine Sklaventreiber haben gezahlt. 68,20 Dollar waren auf meinem Konto und ich triumphierte! Damit lebe ich als Wwoofer eine Woche. Mehr als ums Geld ging es mir aber darum, dass ich so fest der Ueberzeugung war, dass das laute Paar zwar nicht gerade zuckersuess, aber doch irgendwie fair ist und eben die Arbeiter bezahlt. Ich habe meine Formulare ausgefuellt und es wurde genau notiert, was wer pflueckte. Damit ist mein Vertrauen in mein Einschaetzungsvermoegen wieder hergestellt. Das ist wichtiger als die paar Kroeten.
Und da ist noch ein Gedanke. David arbeitet als TESOL Lehrer, das ist ein Lehrer fuer Englisch fuer Nichtenglischsprachler. Um das machen zu koennen, gilt es ein Zertifikat zu erwerben. Er hat dafuer einen vierwoechigen Kurs absolviert und 3000 Dollar bezahlt. Nun ist er als Springer an der Uni beschaeftigt, er koennte aber auch nach China oder Japan reisen, nach Thailand oder in die Emirate. Mittlerweile kann man dieses Zertifikat ab 150 Dollar mit einem 50 Stundenkurs online erwerben. Ob das wohl was fuer mich waere? Ich grueble. Lehrer im reichen Ausland wuerde bedeuten, ich wuerde das Geldspiel spielen. Bis dato nicht mein Ding. Ob mir das Spass machen wuerde? Ich denke noch ein Weilchen, ob das eine ernsthaft zu erwaegende Idee ist.

Donnerstag, 19. November 2009

Und nun mal schick



Nein, hier werden wir nicht immer mit „Dal“ (für Darling) gerufen, wie es Janine so charmant getan hat. Hier bläst sozusagen ein anderer Wind. Bei Sue und David Gough hat alles seinen Platz, nicht aber Schmutz und Staub und Chaos. Ein ziemlich schickes Haus, ein ausgesprochen sortierter Garten, nicht allzu viel Platz fürs Gemüse, aber doch einige Kräuter. Wir wurden vom verschmitzten,vollbärtigen David in Indooroopilly, einem Vorort von Brisbane abgeholt und hierher chauffiert. Sue hatte eines ihrer recht schicken Dinner in ihrer schicken Küche gekocht und wir plauderten launig. Arbeit ist ebenfalls recht klar, überanstrengen müssen wir uns aber sicher nicht. Mein Zimmer ist sozusagen romantisch, mit einer Blumentapete, ein paar Büchern und ein paar kleinen Gemälden. Beide mögen sie Kunst, kennen Künstler und Autoren. Fasziniert und vollständig glücklich bin ich in der Bibliothek, einem Durchgangszimmer mit Regalen, in denen aber weder mehr Bücher noch breitere Interessen Platz gefunden haben. Aber das ist doch eine gewissen Offenheit für verschiedene Ideen erkennbar. Schwarzer Humor, Buecher, die auch mal quergehen und sowas wie kritische Distanz. Ihr Leben ist nicht ganz im bürgerlichen Rahmen, auch wenn ich anfangs den Eindruck hatte, dass es doch sehr dicht daran schrammt. Sue unterrichtet kreatives Schreiben, hält aber mir gegenueber noch hübsch geheim, was sie da genau unterrichtet. David unterrichtet Englisch und hat jahrelang in der Forstwirtschaft, da aber wohl eher in der Planung und am Schreibtisch gearbeitet. Er hat im Garten einen Baum, den man bis vor fünf Jahren nur aus Fossilien kannte. Ein paar mutige Wanderer aber stiegen in einen Bach und entdeckten ihn dort und mit ihm noch 36 weitere. Nun werden sie freilich eifrig gezüchtet, diese schräge Pinienart. Verschroben und doch sehr sympathisch. Wie übrigens auch die zehn verschiedenen Bambusse, die er hier anbaut und die teils weit höher als das Haus wuchsen. Die Dinger sind offiziell Gräser und machen im Wind mehr als seltsame Schabegeräusche. Sue fällt nahezu in Ohnmacht, wenn sie sieht, wie ich durch den Garten pflüge. Was ich in drei Stunden ab sechs Uhr früh geschafft habe, hätte einem koreanischen Wwoofer über eine Woche gekostet. Und da war noch nicht mal was umgegraben. Man ist entzückt. Vor allem von der deutschen Reinlichkeit- nur deutsche Wwoofer dürfen die Bücherregale abstauben. Ganz anders also wieder als bei Janine, wo es nun wirklich nicht um übertriebene Exaktheiten ging. Die hat hier gleich angerufen und gesagt, dass sie, Perrine und Pipo ganz viel an uns denken und uns alles erdenklich Gute wünschen. Rolf und Robyn riefen an und wollten natürlich auch Details. Wie lieb wir umsorgt werden. Dabei waren die Erfahrungen so unterschiedlich und doch haben wir uns sehr gut eingefunden. Das ist ein grosser Bonus von Leo: er passt sich gut an.
Wir haben in der Zeitung einen Kochjob im Outback in der Nähe von Mt Isa gefunden, das ist lässige 26 Stunden Busfahrt nordwestlich von hier. Dort hat es fünfzig Grad und grässliche Stechfliegen, die Gegend ist als Saufgegend bekannt. Ich will da nicht hin. Meine Outbackerfahrung reicht mir. Ich habe mich für Putzjobs beworben, auf einer Insel mit Unterkunft, bei einer Familie mit Kinderbetreuung, am Flughafen und für ein Hotel mit Küche. Putzen eher nachts bei ca. 20 Dollar Stundenlohn. Das wäre nicht übel und für einen Monat durchaus auszuhalten.
Ich habe weiter sehr gut gewirtschaftet und in vierzig Tagen 400 Dollar verbraucht. Dabei fühle ich mich durchaus reich. Ich lebe mit viel Platz in einem Haus mit vielen Büchern, Internet und Pool, ich habe herrliches, gesundes Essen und auf meine Initiative hin gar weiter frisch gepresste Gemüsesäfte. Ich darf mit Sue zum Yoga und dieser Tage geht’s nach Brisbane in die Kunstgalerie und die Bibliothek, die sie mit aufgebaut hat und am Samstag zu einem wohl recht bekannten Markt. Das für ein bisschen pflanzen, kochen, abspülen und Rasen mähen. Wen kümmerts, dass die Dinge nicht mir gehören, wenn ich sie doch nutzen kann? Besitz und Geld stehen in einem anderen Licht für mich. Trotzdem suche ich freilich einen Job.
Sue arbeitet als freischaffende Journalistin und geht zu Theateraufführungen. Sie hat als Eheberater gearbeitet und gibt ihren Schreibunterricht. Da sehe ich sehr viele Parallelen zu mir. Angefangen hat sie bei einer Zeitung als Sekretärin und ist ohne Studium in all das hineingerutscht. Kreatives Schreiben hat sie erst 2008 mit einem Master abgeschlossen. Und auch wenn sie ihren ersten und soweit ich weiss einzigen Roman für Erwachsene 2001 veröffentlicht hat, so sieht sie sich doch klar als Schriftstellerin. Wie viel hängt davon ab, wie man sich selbst sieht. Erfolg und Kraft schweben aber doch über diesem Haus. Klarheit, Aufgeräumtheit. Wie überall gibt es hier eine schwierige Familie mit Selbstmord, Depression, Einsamkeit und Zurückgewiesenwerden. An irgendwas laborieren wir eben alle. Sie sagt, sie habe eine Gefühl, dass ich nochmal ein Buch veröffentlichen würde. Das würde sehr gut passen. Sie fragt mich, wie ich ich geworden bin mit meinen wilden literarischen Interessen und meiner nahezu Gier nach Wissen. Ich weiss es nicht. Neugier und das Vermeiden von Langeweile ist mein Motor.
Ich bin wie immer beeindruckt, wie sehr ich Einblick in andere Leben, Schlafzimmer, Vergangenheiten und Interessen kriege. Mir werden ständig ganze Leben präsentiert und das Vertrauen geschenkt, dass ich niemanden ausraube, was beim Wwoofen nur zu einfach wäre. Die Menschen haben Vertrauen und wollen das Gute. Wwoofen ist netter Austausch und im Grunde wird man umsorgt und durchgefüttert. Ich merke, ich werde leichter. Ich habe ein bisschen Gewicht verloren und ich gewinne Zutrauen. Ich habe die Panik nicht, dass mir das Geld ausgeht, ich keinen Job habe, nicht mehr weiterkomme. Wenn ich meine Energien gut einsetze, kommen die guten Dinge konsequent meines Wegs, so scheint es. Muss mich schon bemühen und organisieren und für mich und uns einstehen, aber dann wird doch wieder alles.
Ich habe auch einen weiteren Wwoofingplatz für uns gefunden, weiter südlich in Mt Tamborine, einer Nationalparkgegend, die alle als wunderschön bezeichnen. Dort werden Gemüse gepackt und zu Märkten gekarrt, eingeweckt und Vorträge über gutes Essen und ein gutes Leben gehalten. Klingt sinnvoll und gut und die wollen uns auch in zirka einer Woche. Solange wollen uns aber David und Sue noch behalten.
Gute Dinge: nach ein bisschen Zinnober via Anrufen und einer SMS haben meine türkischen Sklaventreiber mir meine sauerst verdienten 68,20 Dollar überwiesen. Das klingt nicht so mächtig, bei zehn Dollar Ausgaben pro Tag bringt es mich aber eine Woche durch. Viel wichtiger ist aber, dass ich meinen Glauben behalten habe. Ich war überzeugt, dass sie hart sind und schlecht zahlen, aber dass sie eben am Ende zahlen. Das hat gedauert, ist nun aber passiert und ich bin glücklich. Und das natürlich umso mehr, weil wir heute laufen und im Pool schwimmen waren, ich gezeichnet und geschrieben habe und mich für Jobs beworben. Ein ausgewogener Tag.
Auf dem Bett liegt ein neuer Hund, der Jack Russell Fergus, der immer Gesellschaft mag, liebend gern mit seinen kleinen Zähnchen rauft und so gerne mit uns zusammen ist, dass er gar mit uns laufen ging, auch wenn ihn das an seine konditionellen Grenzen brachte.
Alles machbar -schreiben, lehren, unabhaengig sein- wenn man nur weiss, was man will. Ich hoffe, dem komme ich nah und naeher. Ich fühle mich jedenfalls rundum sehr wohl, sehr ausgeglichen, körperlich und geistig. Ist schon ziemlich viel. Ich sehe, aus welchen Bausteinchen andere Leute ein Leben bauen. Keine Hexerei und dem meinen in so vielem aehnlich.

Mittwoch, 18. November 2009

Anpassen und nicht verbiegen






Die verwunschene Kamera funktioniert wieder! In Bundaberg kam ich in eine kleine Plauderei mit einem älteren Ehepaar. John und Patricia sind im Ruhestand und erholen sich von ihren Zitrusfrüchten, die sie anbauten. Sie luden mich prompt zu sich auf einen Tee mit Scones, den kleinen englischen semmelartigen Süssdingern ein, ich durfte ihren wilden Dackel beim Fussballspielen bewundern und wir checkten die Kameralage im Netz. Ein paar wilde Warnungen über die vermeintliche Unreparierbarkeit später und die Ankündigung, dass eine Reparatur teurer als die ganze Kamera ist, sassen wir da mit Uhrmacherschraubenziehern und einem Fön zum Herausblasen des das Getriebe hemmenden Sandes. Ein bisschen rohe Gewalt, das Objektiv in die Kamera gedrückt, ein paar mal ordentlich geschüttelt und schon geht wieder alles. War ein netter kleiner Ausflug zu den beiden.

Nach wilden Zuneigungsbeteuerungen von Rolf und Robyn und dem Versprechen, von sich hören zu lassen, gings auf zu Anne, der Frau, zu der ich in der Noosagegend gehen wollte. Das war wieder mal... anders. Aber von vorn. Erst kam Robyns Familie mit vier Kindern zwischen zwei und zehn angerückt und ich war zum Kinderherumwerfer und Spassvogel umfunktioniert, was auch mal wieder lustig war. Am Bahnhof tauchte Leo einigermassen abgerissen auf und wollte am Freitag mit mir nach Cooroy fahren, wo mich Anne abholen sollte. Er war dort freilich nicht angemeldet und ich daher, unter anderem, etwas zögerlich. Dennoch fuhr er mit, dennoch wurden wir abgeholt, wenn Anne Leo auch nicht als Wwoofer annahm, ihn in der Waschküche einquartierte und er für sein Essen zahlen sollte. Das war in Ordnung. Etwas schräg war dann aber, dass ich meinen Rucksack in der Garage lassen sollte, anstatt ihn in meinem recht grossen Raum zu deponieren. Dann sassen wir auf der Veranda, blickten auf ihre Pferde und ihren Poolreiniger und hörten uns ein Lamento über die Knappheit ihrer Finanzen an und dass wir daher nur Scheibletten und billigen Toast essen könnten. Aber sie fuhr mit ihrem schicken Jeep zu ihrem zirka 200 m entfernten Briefkasten. Als ich Leo, der wirklich fix und fertig war, ein Sandwich in die Waschküche bringen wollte, rannte sie mir nach, das käme ja nun gar nicht in die Tüte, gegessen werde am Tisch. Am Abend gings zu ihrem Bruder, ein netter Klavierrestaurateur und -stimmer Ende siebzig. Ich hatte mein Skizzenbuch verlegt und war etwas in Sorge, was sie dazu brachte mich anzufahren, dass sie eine Verabredung einzuhalten habe und was mir denn einfiele, jetzt noch auf der Veranda nach meinem Buch zu schauen. Mir derartige Töne anzuhören, bin ich wohl ein bisschen zu alt und passe ein bisschen zu gut auf mein Wohlbefinden auf. Als ich am nächsten Morgen für Leo nach einem neuen Wwoofingplatz schaute, organisierte ich für uns beide. Ich rief Janine an, deren Eintrag im Wwoofingbuch wirklich sehr nett klang.
Ein Anruf zeigte, dass sie zwar schon zwei Wwoofer hatte, ein französisches Paar, aber wir waren dann doch gleich herzlich willkommen und sie holte uns direkt bei Anne ab. Die war ordentlich verstimmt, meinte, sie hätte im Gegenzug für ihre Gastfreundschaft gar nichts erhalten, so dass wir ihr fünf Dollar hinterliessen. Es fällt mir nicht ganz leicht, zu gehen und sozusagen meinen Mann zu stehen, wenn es mir nicht passt. Aber mir war klar, dass es dort einiges an Ärger geben würde. Anne war frustriert, hatte sie ihr Mann doch für eine Jüngere verlassen. Ich glaube, sie trank und es könnten auch noch andere Dinge im Spiel sein. Sie wollte jemanden, dem sie sagen kann, wo es lang geht und hören, wie schlecht die Welt ist. Beides funktioniert aber nun leider mit mir nicht so gut.
Bei Janine war es wieder ganz anders. Sie wohnt an einem Hang in einem sehr hübschen Haus mit viel Holz. Unter ihrem Haus grasen die Llamas, das Pferd und die Kuh, rennen die Hühner, Gänse und Enten herum. In ihrem Haus wuseln die sechs Hunde und abends taucht eine Katze auf. Es gibt frische Milch, die nach den glücklichen Zeiten mit meiner Oma auf dem Bauernhof schmeckt. Sie hat momentan Finanzsorgen, das heisst aber nicht, dass die Wwoofer hungern. Arbeit ist nicht recht geregelt wie bei Rolf und Robyn, wo wir eine tägliche Schicht von acht bis zwölf hatten. Hier wird ein bisschen nach gusto gewurschtelt. Ich bin mit einem festen Plan motivierter, ist mir doch eher klar, wann ich frei habe. Janine hat eine dunkle Kindheit hinter sich und knabbert noch daran. Sie ist eine spannende Person, die die Welt für einige Jahre bereist, als Lehrerin gearbeitet, Astrologie und Gestalttherapie studiert hat, wenn sie auch nicht an ersteres glaubt. Ausserdem zeichnet sie wunderbar und hat eine beachtliche Sammlung ihrer Werke. Sie hat mich auf grössere Formate und viel Spass mit Kugelschreibern gebracht. Unsere Arbeit war im Haushalt, aber wir waren auch mit kleinen Baujobs beschäftigt, befestigten Latten und reparierten den Hühnerstall, räumten auf, melkten Jetty, die Kuh und wässerten mit Eimerchen die vertrocknenden Bäumchen. Es ist wirklich sehr trocken hier, wir spülen das Klo mit Wasser aus einem künstlich angelegten Teich und duschen ist eher ein Abwaschen in ebendiesem Teich oder aber am Strand unter einer richtigen, kalten Dusche, die das Gefühl von wahrem Luxus vermittelt. Janine ist interessante, aber auch fordernde Gesellschaft. Momentan fühlt sie sich nicht im Stande zu arbeiten, vieles aus ihrer Vergangenheit überwältigt sie. Zudem hat sie das von Moskitos übertragene Rossfieber, das sie manchmal sehr müde werden und ihre Gelenke anschwellen lässt. Als wir einen ganzen Vormittag zusammensassen, um über Möglichkeiten an Geld zu kommen, zu sprechen, endete das in einer grossen Therapiesitzung. Perrine, die nette französische Wwooferin sass dabei und erzählte ebenfalls lang von ihrer verkorksten Kindheit. Puh, da frag ich mich, ob ich wirklich gern Therapeut wäre. Ich war nach drei Stunden vollständig durch den Wind und sehnte mich nach körperlicher Ertüchtigung. Das Kuhmelken bietet das ausreichend, bin ich doch mit meinem Metalleimerchen emsig beschäftigt, Jetty mit ruhigem Zureden und Streicheln, Heu und Futter bei Laune zu halten. Wenn es ihr passt, spaziert sie weiter und das mit Vorliebe in meinen Eimer, den ich dann schnell unter ihr wegziehen muss. Ausserdem drohen Krämpfe in Beinen beim Niederhocken und in den Händen vom Melken. Macht trotzdem Spass. Dann noch ein paar Zecken aus ihrem Fell gezogen und alles ist gut. Die Llamas und das Pferd kriegen ihr Heu, die Hühner ihr Futter und Wasser und die Tiersitzung ist beendet. Vollständig hingerissen bin ich von den drei kleinen graubraunen Windhunden Dios, Bosa und Aria. Sie haben gleich Katzen ihren eigenen Kopf, sind keine winzigen Schosshündchen, aber sicher nicht monströs und einfach herzig und sehr streichelbedürftig. So einen hätte ich wirklich zu gerne.
Rolf und Robyn kamen zu Besuch, da sie auf dem Weg gen Süden waren und brachten Bananen vorbei. Rolf benahm sich ziemlich daneben, trat in Janines Haus ein und tat gleich lautstark kund, dass ihm ihre Zeichnungen nicht gefallen. Dann sagte er auch gleich, dass ihm die Aubergine auf seinem Sandwich nicht passt und Janine reagierte einigermassen gereizt. Ich fühlte mich zwischen den Stühlen. Einerseits kann ich nichts dafür, wie er sich verhält, andererseits habe ich ihn sozusagen eingeladen. Und da nun Janine momentan nicht ganz auf der Höhe ist, nahm sie das für den kompletten nächsten Tag so mit, dass wir, wenn wir sie überhaupt sahen, sie sehr, sehr schlechter Dinge war. Da stelle ich wieder mal fest, wieviel Sensiblität es doch braucht, wenn man durchs Wwoofen für eine Weile ins Leben anderer Leute einsteigt. Die Anpassung, die bei Rolf und Robyn gut klappte, ist hier eine ganz andere. Kein wildes Christentum, kein geregelter Tag, Hunde im Bett und ein ganz anderer Umgang. Sie kennt und mag Kunst und klassische Musik und die Gespräche gehen eher darüber und nicht über den Glauben oder gesunde Ernährung. Janine mag bunte Farben und flucht schon mal. Wir waren in einem alternativen indischen Cafe und hörten Klarinette und Trommel, was auch mal eine nette Abwechslung war. Janine fühlte sich inspiriert durch unsere abendlichen Zweierunterhaltungen und meinte, ich könnte sie wohl wieder auf den Pfad bringen, so dass sie ihr Leben wieder richtig im Griff hätte. Ich hätte es sogar geschafft, sie zum Brettspielen zu motivieren, das sei ihr vorher nie passiert, das sei eine wahre Gabe. Ich schmunzelte und freute mich. Sie ist gelangweilt- keine Kunst, keine allzu spannenden Leute in der Umgebung. Nur die Wwoofer und die sind so bald wieder fort.
Ich war begeistert davon, selbst Joghurt und Butter mit der frischen Kuhmilch zu machen. Beides schmeckte wunderbar, viel besser als aus dem Laden, wo man fuer 500g Joghurt schon mal fuenf Dollar hinblaettert. Ueberhaupt hat dieses Bioleben nachhaltige Auswirkungen auf mich. Wie lecker ist das Essen und wie schoen ist es, eigene Dinge anzubauen und zu ernten. Ich habe wirklich einen ganz anderen Bezug zu meiner Nahrung. Da denke ich auch wieder daran, wie gut doch das Wwoofen ist: ich fuehle mich richtig reich. Ich lebe in spannenden Umgebungen mit allerlei interessanten Leuten, esse bestes Essen und zahle mit ein paar Stuendchen Garten- oder Hausarbeit. Ne, da kann ich nicht meckern. Man darf halt nicht zu heikel und etepetete sein, sonst ist es schwierig, zwischen die Kakerlaken zu kriechen, Schlangen in der Garage zu treffen und auch mal ein nicht ganz so wunderbares Mittagessen zu verschmausen- wenn das auch extrem selten ist. Im Gegenteil nehme ich haufenweise Inspiration fuer neues Essen mit. Seit der Zeit in Bundaberg bin ich vollstaendig ueberzeugt, dass rohe Mahlzeiten ausgezeichnet sind. Lecker, gesund und gut zuzubereiten. Mit den richtigen Sossen und Kombinationen und vor allem mit Gemuesesaeften huepfe ich durch den Tag vor Energie. Und nebenher koennte ich gar noch ein bisschen leichter werden, was ja nun auch kein Schaden waere. Mehr davon! Ich will auch eine Kuh und Huehner und Windhunde!
Am 12., Leos Geburtstag, wurden wir ins schicke Noosa chauffiert, wo sie händeringend Köche suchen. In einem sehr versnobbten italienischen Restaurant gingen wir zu einem eisekalten Jobinterview. Leo reizte der Job, doch redete ich ihm zu, sich nicht wieder in eine solche Hölle zu begeben, mit der er wirklich nicht gut umgehen kann und Geld und Gesundheit riskiert. Der Strand in Noosa ist wunderbar, das Meer klar und die Wellen ein echtes Vergnügen, wenn auch leider zu klein zum ordentlichen Surfen an diesem Tag.
Meine türkischen Tomatensklaventreiber haben nicht gezahlt, was mich richtig ärgert. Nie habe ich ein paar Kröten härter verdient und nun werden sie mir nicht mal überwiesen. Abhilfestrategien bis dato: ein Anruf und eine SMS mit der Drohung mit Rechten, aber vor allem den Freunden, die sie besuchen kämen und meiner Rückkehr. So richtig viel lässt sich wohl nicht machen.
Beim Blättern durch Selbsthilfebücher und Astroweisheiten kam mir die Idee zu einem Selbsthilfebuch der humorigen und unesoterischen Sorte. Ein wachsender Markt, auch wenn der Buchmarkt allgemein momentan ein wenig leidet. Ich grüble und konstruiere. Man wird sehen.
Nach der Woche bei Janine ging es wie so oft ans Ausmisten. Oh Wunder- mein Problem ist meine Bibliothek, die momentan aus 22 Büchern besteht, Reiseführer und Wwoofingbuch eingeschlossen. Meine Klamotten halte ich im Zaum, jedes zerfallende T-Shirt- und das geht schnell, bei soviel Tragen, körperlicher Arbeit und Sonne- wird durch ein neues im Op-Shop ersetzt. Gestern liess ich mich gar zu einem Sommerkleid hinreissen, das allgemeinen Anklang fand und unglaublich luftig ist. Was für ein Vergnügen bei dieser unfassbaren Hitze von 36 Grad im Schatten. Miste ich daheim alle paar Monate aus, wird das hier zur Routine und meine Einstellung zu Dingen ändert sich sukzessive. Netter Schnickschnack muss wirklich winzig sein, um weiter mitgeschleppt zu werden. Meine echte Neuseelandpauamuschel, Blossom the Powerpuff und das wars dann. Bücher werden gelesen und weitergegeben, getauscht oder mit der warmen Jacke heimgeschickt. Die Dinge halten mich nicht zurück, so wie ich es befürchtet habe, bevor ich auf Reisen ging. Und es findet sich doch immer wieder alles Nötige und noch viel mehr in den Häusern unserer Gastgeber.
Am Montag ging es weiter gen Brisbane zu David und Sue. Darauf freute ich mich sehr. Ich erwartete eine organisierte, tendenziell schickere Umgebung und warmherzige Leute. Und genau das habe ich auch vorgefunden. Mehr dazu in der nächsten Soapfolge!

Samstag, 31. Oktober 2009

Eine Woche Leben als Sklave






Nun haben sich die Dinge doch entwickelt. Zweimal sass ich in der Früh um sechs vor dem zwei Kilometer entfernten Tomatenfeld, bewunderte die Vögel (Kookuburra, Fantails und bunte Lorrikeets), las meine Russellbiographie und schrieb mein Tagebuch, aber keine Pflücker weit und breit. Am dritten Tag rückten sie dann an und ich wurde vom Türken Mehmet zum Erscheinen am Tag darauf befohlen- you come tumurra, you work. Wie später üblich schreiend, im Befehlston. Seine Frau teilt sich mit ihm den Schreiposten und man hört durch die Walkietalkies, die sie tragen ständig den jeweils anderen auf türkisch schreien, was zu gleichen Reaktionen und unwirscher Mine führt. Ich habe beschlossen, das lustig zu finden, ich glaube, die Herrschaften sind hart, aber gerecht. Hart ist der Job vor allem für den Rücken. Normalerweise geht’s um fünf in der Früh los, was mich nicht weiter stört, bin ich doch eh immer früh auf. Dann wird höchstens bis neun gepflückt. Jeder Eimer wird mit einem Dollar fünfzig nach der Steuer satt belohnt und ich komme im Schnitt auf fünfzehn Dollar am Tag. Würde ich nicht nur das Reifenprofil des geliehenen Fahrrads abfahren, wärs das Ganze freilich nicht wert. Zumal danach mein Rücken schmerzt und ich mir doch recht sicher bin, dass das der unangenehmste Job und am schlechtesten bezahlte Job ist, den ich je hatte. Da kommt kein Fliessband und keine Wäscherei ran und ganz sicher nicht die Müllhalde oder gar die Äpfel beim netten Peter in Neuseeland. Zudem gibt es auch noch Untersklaventreiber, die einem nachrennen, wenn man eine Tomate nicht pflückt oder zuviel grün oder rot im zirka zwanzig Kilo schweren Eimer hat. Den schleift man vor oder hinter sich her, die Reihen entlang, in gebückter Haltung und streift mit der anderen Hand Blätter zur Seite auf der Suche nach Tomaten. Die perfiden Dinger sind meist unter anderen grünen Tomaten und reifen nicht an der Sonne, sondern gut eingehüllt, was oft zu Pfrimeleien führt. Die Tomaten sind fast alle am Boden, so dass man sich komplett vornüber beugt. Rote Tomaten sind tabu, man pflückt nur grünes Zeug mit einem winzigen Farbansatz. Viel Gift aussenrum, die Haut juckt ein wenig durch die Handschuhe. Einen Tag pflückten wir Zucchini, die verkratzen einen auch noch am Handgelenk und meine Chefin meinte, ich hätte keine Augen im Kopf und die Brille sei wohl nutzlos, da ich ein paar Zucchini zu Beginn übersah. Meine Mitpflücker sind fast alle Asiaten, die wenig zu einem Plausch oder einem Morgengruss aufgelegt sind. Sie mögen etwas schneller sein als ich, aber richtig Geld machen können sie auch nicht, müssen sie doch Essen und Unterkunft auf dem Zeltplatz zahlen. You can earn good money, schreien die türkischen Treiber aber trotzdem als eine Art Mantra. Wenig glücklich fand ich die Entscheidung, ihren Sohn heute mit aufs Feld zu bringen und ihm die Sklaventreibermethoden beizubringen. Sie mögen ja glauben, dass man die Asiaten derart antreiben muss, für einen zehnjährigen Buben vermittelt das aber doch einen sehr schrägen Eindruck. Ich Chef, also Du nix. So geht man nicht mit Menschen um. Sein Versuch, mir mit einer übersehenen Tomate seine Überlegenheit zu demonstrieren, scheiterte ein bisschen daran, dass ich seine „girl,girl!“ Rufe ignorierte. Meine Chefin drohte wie üblich mit dem Boss- if you do miss tomato and big boss see, you out! Mit big boss hatte ich ein munteres Schwätzchen, als ich ihn zufällig auf dem Feld traf, er fand das sehr amüsant. All dies gibt Anlass zu allerhand netten Autoritätsstudien. Gottlob bin ich auf Derartiges nicht angewiesen. Aber ich fand es sehr spannend, einmal im wahrsten Sinne ganz unten zu werkeln. Ich hoffe, meine paar Dollar werden mir überwiesen. Den Job verbuche ich in jedem Fall unter drastische Erfahrung. Wie fühlt man sich, wenn man nicht als Mensch, sondern nur als Pflücknummer behandelt wird? Das ist das Aufregende am Reisen- jeden Tag ein bisschen wie eine neue Identität, wenn ich das will.

Eine Woche Tomaten und Zucchini ist jedenfalls genug für meinen Stoff zum Nachdenken und auch für mehr als die Fahrt nach Noosa. Zudem bin ich nach dem Job sehr motiviert, mich um andere Dinge zu kümmern, wie z.B. meine journalistischen Artikel und neue wilde Ideen. Am Donnerstag reise ich ab und werde nicht von meinem wilden Yogakommunenmann, sondern von der 68-jährigen Holländerin Anne vom Zug abgeholt. Sie hat Pferde und mag Gesellschaft. In der Nähe, erreichbar mit dem Bus, ist der Noosastrand zum Surfen und auch der berühmte, wohl riesige Markt von Eumundi. Dort gibt es auch Kunstgalerien. Am 16. November bin ich bei David und Sue. Er ist Lehrer für Englisch und wissenschaftlicher Berater (was auch immer das genau heisst finde ich raus), sie Romanautorin und Lehrer für kreatives Schreiben. Eine faszinierende Mischung, zudem scheinen sie sehr nett, geradlinig und vermutlich sehr zuverlässig. Ich freue mich sehr auf sie, habe ich doch schon als wir in Brisbane waren, versucht zu ihnen zu kommen.
Was Leo macht, ist mir nicht ganz klar, ich vermute, er wird weiter arbeiten. Ich werde sehen. Manchmal denke ich, es war sowas wie meine Aufgabe, ihm ein wenig zu helfen, ihn zu unterstützen, ihm Kraft, Motivation und Zuversicht zu geben. Nun ist er ganz selbständig zu seiner Arbeit aufgebrochen und muss sich ein wenig allein weiter durchbeissen.

Da gäbs dann auch noch Colin, der auf einem Boot lebt und Häuser anstreicht. Er nimmt Wwoofer und lässt sie gar streichen, womit er sein Geld verdient und der Wwoofer dann auch. Das wäre gar nicht dumm, allerdings ist er drei Stunden südlich von Sydney in Yass und damit sehr weit von mir entfernt.

Robyn betet hier für Regen. Im Kalender haben wir gesehen, dass es volle fünf Monate nicht geregnet hat und die Mango und Zitrusbäume werfen die Früchte ab und lassen die Blätter hängen. Traurig ist das und ich hoffe sehr, dass es bald regnet. Dieses Klima hier ist doch ganz bedeutend anders als das von mir gewohnte in Regensburg. Trockenheit und Hitze- das habe ich mit Australien verbunden, es aber nur partiell angetroffen. Bis jetzt...

Meine Finanzsituation sehe ich unter dem sportlichen Aspekt: ein bisschen was einheimsen, fast nichts ausgeben. Ich organisiere viel und bin damit auch zufrieden. Mir fehlt es an nichts. Da ist Bildung durch die Menschen, die Natur und die Büchereibücher. Und da ist feinstes Essen beim Wwoofen und ein kuschliges Bett. Von meinen 2500 Noccundradollars sind mir noch 1200 geblieben, das ist doch schon mal was. Ich bin sicher, dass ich mittlerweile exzellent wirtschaften kann. Ich male mir ein T-Shirt mit „Job wanted“ und gucke, wie die Leute reagieren und ich werde mich in die Strasse stellen und testen, wie es sich anfühlt, Teil der „free hugs“ Leute zu sein. Kostenlose Umarmungen auf der Strasse anzubieten fordert meinen Mut. Könnte ein echtes Erlebnis werden, sicher der ungefährlichen Art, aber doch sozial exponiert und daher jenseits der Komfortzone.

Rolf hätte mich sicher gern noch ein Weilchen behalten. Da Robyn als Krankenschwester meist arbeitet, ist er hier viel allein und hat sich so an meine Gesellschaft gewöhnt, dass er schon meinte, man könnte mich vielleicht als weitere Tochter aufnehmen, wie das schon mit anderen Wwoofern geschehen sei. Sehr lieb, wirklich, ich fühle mich hier recht behaglich und daheim, auch wenn wir in einigem, vor allem den Glaubensdingen, nicht ganz einer Meinung sind. Robyn ist sehr liebenswert mit ihrer speziellen Art mit Tieren. Sie fing einen Chickenhawk mit blossen Händen und scheint mir so etwas wie ein Pferdeflüsterer. Sie scheint die Tiere zu verstehen. Sie ist geradlinig, burschikos und auch spitzbübisch. Ich mag sie sehr. Und ich verlasse Barbara, meine Kunstlehrerin. Und mit ihr die Schüler Ron, der seinen Parkinson mit Malen in Griff bekam und Allan, der immer scherzt, ich sei zu gut und er frustriert ob meienr Anwesenheit. Da war ich doch bei einigen Malstunden. Das letzte Mal wollte sie mich davon abhalten, ein Rembrandtselbstporträt abzuzeichnen, da es ihr zu düster schien. Sie meinte, ich wolle doch wohl Kunstwerke produzieren, die die Menschen segnen und nichts so dunkles. Äh, nein. Ich will das volle Leben, nicht nur die netten kleinen Anne Geddes Babies, heidipu! Dann doch lieber Picasso: Paintings are not done to decorate apartments, they are weapons of war. Und so zeichne ich dunkel und wild, momentan um die Zeit des Symbolismus herum mit Wrubel, Kubin und anderen wilden mit Dämonen und nicht ganz braven Sexanspielungen. Mit Robyn ging ich gestern im Busch spazieren zu einem dunklen Wasserloch, das ich fotografierte. Sie scherzte, ich solle das bleiben lassen, das würde mich nicht segnen, das dunkle Wasserloch. Ein Foto und die Kamera mag nicht mehr, Sand im Objektiv, würde ich schätzen, fährt nicht mehr rein und die Kamera tut nix mehr. Da hilft nur Weihwasser, vermute ich.

Ein Jahr bin ich nun bald unterwegs und ich schaue schon mal zurück. Viele richtige gute Erfahrungen waren da dabei. Insgesamt bin ich bestimmt die Alte, ein bisschen mehr eingefahren in meiner no Schickimickieinstellung, ein bisschen gelassener, ein bisschen fokussierter vielleicht. Die Natur und die Tiere sind mir nun noch näher. Ich bin vielleicht auch etwas weniger an Intellektuellem orientiert. So richtig werde ich erst sehen, wie ich mich verändert habe, wenn ich wieder in Regensburg und bei Euch lieben Freunden bin. Ich freu mich schon auf eine ordentliche Party mit Euch! Die Idee nach all meiner „theoretischen Erziehung“ eine praktische draufzusetzen scheint jedenfalls voll gelungen und ich bin sehr froh über meine bunte Zeit hier. Oh, ich fürchte, da werden noch mehr Reflexionen dieser Art kommen. Auf bald!

Samstag, 24. Oktober 2009

Wildlife, innen und aussen

Es hat ein bisschen was Verhextes in Bundaberg. Leo und ich passten am Wochenende auf Haus und Tiere auf. Auf den Hund Pearly jedoch offenbar nicht gut genug. Sie ist noch nie abgehauen, ist nun aber schon seit einer Woche verschwunden. Robyn erzählte mir davon, der Herr habe ihr gewispert, sie solle die Hunde einsperren, wenn sie wegfahren, aber nein, sie war ungehorsam und nun ist Pearly fort, die fröhliche, liebe Teenagerhundine. Ich joggte unseren Joggingrunden ab, ging durch den Busch, plauderte mit weit entfernten Nachbar- keine Pearly. Traurig sind wir alle ein wenig, am meisten wohl Lizzy, ihre Mutter und Spielgefährtin, die in der Früh kein Begrüssungsheulen mehr anstimmt.
Was hab ich nicht alles versucht, um in diesem als Arbeiterstädtchen bekannten Ort, Arbeit zu finden: Bekannte von Rolf antelefoniert, mit den Leuten von Jobagenturen, Arbeitshostels und sogar im Touribüro geredet, als Küchenhilfe beworben, die Bauern in der Gegend abgeradelt. Rolfs Bekannte Luisa führte zu einem weiterem Pflückerjob. Das hiess, um halb vier aufstehen und in die Stadt fahren (20 km), von dort in der Kolonne weitere 20km in die andere Richtung. Dann ein paar Eimerchen Tomaten gepflückt- ich wieder mal gewissenhaft nur die reifen und damit 6 Eimer, Leo zwölf,zu je 1,75 Dollar, aber alles, was ihm unterkam- und dann wars das auch schon nach eineinhalb Stunden. Man solle doch am nächsten Donnerstag nach drei Tagen Pause wieder erscheinen. Wir haben die Benzinkosten für Robyns Auto verdient, aber es scheint unmöglich, meine Bankdaten zu speichern. Zum dritten Mal wurde ich danach gefragt und nun sollte ich die Herrschaften gar in der Stadt treffen. Ach, ich vermisse meine Äpfel und Peter, das war mal sinnvolles, geordnetes Arbeiten! Aber ich bin ja nun nicht die, die aufgibt. Und morgen radle ich zu einem Tomatenfeld in der Nähe. Vielleicht lassen sie mich ein paar Tage pflücken. Und wenn ich nur zwanzig Dollar täglich verdiene, so hab ich doch nix verloren und muss nicht allzu früh auf.
Leo hat einen Job als Koch eine gute halbe Autostunde von hier angenommen und ist nun in einem winzigen Örtchen am Meer.
Ich wollte gen Süden reisen, Richtung Noosa, wo man so wunderbar surfen können soll. Dort habe ich auch einen Wwoofinggastgeber ausfindig gemacht, der mich vollständig zulaberte, als ich ihn anrief und er erfuhr, dass ich Philosophie studiert habe. Er scheint da auf einen Quacksalber gestossen zu sein, der ein paar Philosophen zitiert hat und nun sei sein Weltbild vollständig durcheinander. Meine Aufgabe bei ihm wäre dann zu philosophieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht an analytische Philosophie dachte. Ich sollte schon dort sein, er mich vom Zug abholen, aber seltsamerweise hat er meine Ankunft nicht bestätigt und so bin ich immer noch hier. Heute war Auktionstag in der Nähe. Versteigert wird Plunder und Wertvolles aller Grössen vom Porzellanpüppchen bis zum Traktor, der Auktionator schreit sich den Hals wund und es ist insgesamt ein wahrlich heiter Treiben, wenn eine Menschentraube von Objekt zu Objekt tippelt. Robyn schlug mächtig zu, erwarb einen ganzen Tisch mit Figuren, die weitgehend hässlich und sicherlich vollständig nutzlos sind und nun ihr hübsches kleines Häuschen im Garten zustellen. Rolf schüttelt den Kopf und weiss nicht, warum sie immer wieder scheunenweise Zeug kauft, das dann nur dem Schimmel und den Mäusen überlassen wird. Er erwarb einen Laptop und einen alten Computer- weiss der Himmel, ob sie funktionieren. Windows war nun leider nicht dabei. Ausserdem kauften sie haufenweise Holz für den Boden der Veranda. Das geölte Holz luden wir mit vereinten Kräften auf den Anhänger, von wo es einen Kilometer später auf die Strasse rutschte. Immerhin ist nichts passiert und irgendwie war es doch recht heiter. Nur den Vorschlag, ich sollte auf dem Holz sitzen, so dass es nicht mehr rutsche, konnte ich nicht ganz gutheissen.
Wir verstehen uns gut, wenn mir auch dieses fanatische Christentum bisweilen auf den Nerv geht.. Da erzählt er mir immer, dass ihn ausser der Bibel nichts interessiert und alle Philosophen nutzlos sind, weil sie sich auf den menschlichen Verstand stützen, der närrisch sei. Was Besseres als seinen menschlichen Verstand hat er aber auch nicht, um seine Bibel zu lesen, vermute ich. Ich bin geneigt, die Gemeinsamkeiten zu betonen und so reden wir über gesunde Ernährung und Verrücktheiten anderer Menschen und verschweigen die eigenen und besonders die des Gegenübers. Ein kleiner Triumph ist, dass er mittlerweile einsieht, dass ich genauso gut wie ein Mann bin. Dachte er doch zuerst, ich könnte ihm keinen Graben für sein Giesswasser ausheben oder ihm beim Holzladen und Befestigen helfen. Ich steige auf und darf nun gar die Terrasse mit verlegen, nachdem er sich von seinem Vorurteil der Nutzlosigkeit aller weiblichen Wesen in praktischen Dingen getrennt hat.
Ich habe genug gemalt, geschrieben und gelesen hier. Wenn auch die Bücherei weiter sehr verlockend ist: da gibt es z.B. Ray Monks Russellbiographie, Filme, die ich im Kino verpasst habe, herrliche Kunstbände und die unterhaltsame Zeitschrift „Psychology today“. Ausserdem konnte ich mit dem Hagen- und dem Emersonquartett mit Dvorak, Debussy und Ravel endlich mal wieder meinen Player auffrischen. Es fehlt also an nichts, aber ich will trotzdem noch mehr hier sehen als Bundaberg und Umgebung. Die nächsten Tage wirds hoffentlich mit Noosa und dem Yogaphilosophen klappen und danach zu meiner Autorin und ihrem Englischlehrergatten in der Gegend um Brisbane. Auf die beiden freue ich mich besonders, machen sie doch beide was, was mir sehr am Herzen liegt.
Deroweil weiter Faszination wildlife mit der braunen Giftschlange im Garten und dem eineinhalbmeter langen krokodilähnlichen Goana im Baum und der Tarantel an der Plumpsklotür. Immer schön locker bleiben...