Freitag, 26. Februar 2010

Das Zimmermaedchen war da

Ich bin zurueck auf meinem Berg. So etwas wie Alltag ist wieder eingekehrt. Ich arbeite wieder in Bungunyah. Da es nun aber Gavin gibt, der sich vor allem um Garten und Geschirr kuemmert, habe ich meist andere Aufgaben. Eine meiner Hauptaufgaben ist es makellose Zimmer auf absolut wahnwitzigem Niveau zu polieren. Ich saeubere also was laengst wirklich sauber ist. Zumindest nach meinem eben so gar nicht perfektionistischem Ermessen. Gail, meine sehr ambitionierte Kollegin meinte mit weit aufgerissenen Augen "Stell Dir nur vor, Du wuerdest in unserem Hotel uebernachten und ein Haar am Boden finden!". Oh ja, das schockiert eine, die in Indien mit sehr vielen Bettwanzen das Bett geteilt hat und Kloreiniger fuer Toiletten kaufte, die so etwas zuvor noch nie gesehen hatten. Aber nein, es geht darum, sich wieder einmal anzupassen. Ich werde fuer das Perfekte bezahlt und werde sogar dafuer gelobt, dass ich das Bett faltenfrei mache. Australische Betten sind sowieso ein ganz anderes Thema. Da werden Unmengen (bis zu sechs!) Kopfkissen ueberzogen und zwei verschiedene Riesenlaken gespannt. Dann kommt da eine Decke drauf, die auch wieder unter die Matratze zwecks Faltenfreiheit gezogen wird und dann kommt eine Tagesdecke drueber. Man hebt also staendig Matratzen herum, schiebt alles herum, faltet hier, faltet da. Eine endlos scheinende Prozedur, die in einem Bett muendet, das einem Kuvert aehnelt. Es bleibt einam als Schlaefer nichts anderes uebrig, als das ganze Zeug irgendwie unter den Matratzen wieder hervorzuzerren und selbst dann ist man in all diesen Lagen eingewurschtelt. Aber nein, so will das der Standard. Was kann ich da doch ein Loblied auf eine anstaendige Decke und ein Spannbetttuch singen! Dazu kommen Fussmatten, Handtuecher, sogenannte Facewasher (Minihandtuecher) und normale Duschtuecher, die natuerlich taeglich erneuert werden muessen. Interessant ist auch, wie viel verschiedenes Gift in den Zimmern verwendet wird. Glasreiniger, Vielzweckreiniger, Domestos, Duschreiniger, Bleiche, Toilettenreiniger, Spray and Wipe und Bleiche. Bleiche kommt in die bereitgestellten Tassen. Die sind dann zwar weiss, aber giftig. Sieht alles perfekt aus, ist aber wirklich nicht gesund. Auch ein Abdruck des Fusses einer Reinigungsperson auf dem Teppich kann zu halben Ohnmachtsanfaellen fuehren. Immer schoen vom Fenster zur Tuer saugen und beim Ausstecken des Saugers halb ins Zimmer fallen anstatt nochmal eine Spur zu hinterlassen. Man putzt sogar die Klimaanlage auf dem Balkon... All das dauert. Nun gut, solange ich fuer all das bezahlt werde... Das Vergnueglichste an all dem ist die Schatzsuche. Manchmal finde ich Muenzen auf oder unter dem Bett und Shampoos in der Dusche. Interessant, was Leute konsumieren, ob sie alle Milch und Kekse und sogar die kleinen Zuckertueten abstauben. Ausserdem meinte eine Kollegin, aha, ich sei nun wohl aufgestiegen, da ich mittlerweile auch als Bedienung taetig bin. Das ist so viel einfacher als das Geschirrspuelen. Ich huepfe in meinen schwarzen schicken OPshopklamotten herum, ernte neuerdings anerkennende Blicke von Kollegen und Gaesten und trage Getraenke und Essen herum. Mit dem Balancieren vieler Teller habe ich aber noch meine Probleme.

Mein Computer hat mich nicht mehr lieb, kein Programm will er ausfuehren. Dabei war ich so brav mit Firewall und Virenscanner. Nun ja, auch ich habe mich mit Alltagsproblemen rumzuschlagen.

Ich hatte eine Grossaktion zum Erwerb eines Fahrrads gestartet. Per Aushang kam ich an zwei Fahrraeder, die ein Ehepaar nicht mehr wollte. Kein Wunder- es handelte sich um platte Rostlauben. Das Fahrrad einer Kollegin war eine Steigerung, wenn auch die Schaltung nicht recht funktionierte, was bei den Bergen hier eindeutig ein Problem ist. Dann fiel aber einfach eines der Pedale ab und damit war nichts mehr zu holen. Einen Anruf hatte ich noch von einem Dave, der nach meiner Adresse fragte und am naechsten Tag ein aufgepumptes, rundum praechtig funktionierendes Fahrrad bei mir ablieferte. Alles bestens und ich bin derart gluecklich. Unabhaengigkeit, Transport! Zur Arbeit laufen und joggen und hitchhiken war doch ziemlich laestig...

Mit Elizabeth bin ich uebereingekommen, dass ich zehn Dollar fuer meine Verpflegung bezahle und weiter mithelfe. Die Familie ist sehr nett, man guckt aber sehr viel fern und es ist manchmal etwas anstrengend, dass immer sehr viel los ist. Die Kinder Zane und Xavier sind grosse Klasse, aber freilich laut und es herrscht mit den staendigen Bauarbeiten doch ein betraechtliches Mass an Chaos... Ich will manchmal einfach nur Ruhe, meditieren, lesen. Dann fluechte ich gen Buecherei oder Wiese.

Ich gebe zu, ich hatte ein kleines Tief letzte Woche, fuehlte mich etwas einsam, ziellos und vermisste den Schnee. Schnee, ach Schnee. Zwei richtige Winter verpasst, das ist doch traurig. Skitouren, seufz. Mit fast allem anderen werde ich ja gut fertig, aber das... Da war als Remedium Aktion das Richtige. Weiterhin viel Sport und Mails an meine lieben Freunde und vor allem weitere Recherche ueber mein nach Deutschland reisen und was ich dort tun will. Gegen Traurigkeit hilft nur ein emsiges Tun und am eigenen Schopfe herausziehen, jawoll!

Ich bin ziemlich begeistert ueber mein momentanes Fitnessprogramm. Ich, ja ich, bin jetzt erstmalig und fuer mich selbst sehr ueberraschend Mitglied im hiesigen Fitnessstudio. Vaughn nahm mich mit zum Training und irgendwie hat er schon recht, dass zu all meinem Ausdauersport mit Schwimmen, Radeln und Laufen Gewichte herumstemmen eine gute Ergaenzung waere. Wenn ich auch von den Uebungen zur Verbreiterung meiner Schultern nicht gar so arg beeindruckt bin. Wenn eines nicht mehr breiter werden muss, so sind das meine Schultern. Jedenfalls haenge ich nun an Klimmzugstangen und lasse mir die beste Hebetricks zeigen und kriege vor allem sehr oft von verschiedenen Menschen gesagt, wie stark ich doch bin, was mir freilich schmeichelt. Eine Schwimmlehrerin lud mich zu einer Stunde ein und zeigte mir gute Schwimmtechniktricks, so dass mein Butterfly doch viel besser und vor allem weniger anstrengend ist. Wir arbeiten an den Feinheiten!

Und nun das Beste zum Schluss. Es hat Fruechte getragen, mein Reisen. Ich wollte mir doch fern von allen meinen heimischen Einfluessen ueberlegen, was ich weiter machen will. Nun weiss ich es. Outdoor education, was im Deutschen leider leider den scheusslichen Namen "Erlebnispaedagogik" traegt. Vielleicht hat mich das Wort davon abgehalten, in Deutschland drauf zu kommen... Draussen sein, Menschen was beibringen, Sport, Natur, Gruppenarbeit, Lebensziele neu stecken, Kommunikation. Spass und was Sinnvolles tun! All das verbinde ich damit und forsche nun fleissig nach Verbindungen und weiterer Ausbildung. Der Gedanke an diese Karriere stimmt mich sehr gluecklich und ich hoere oft, dass man sich mich sehr gut fuer diesen Job vorstellen kann. Glueck, Freude! Kein quaelendes ewiges Hinterfragen mehr! Frank, der liebe Philosoph in Oxford, vermittelt mich mit einem seiner Freunde, der in diesem Bereich seit zwanzig Jahren taetig ist. Und da ich meine Heimflugplaene kuerzlich gen Suedamerika umorientiert habe, ist das umso besser, schliesslich ist Jon, besagter Outdoormensch meist dort unterwegs. So werde ich hier noch fleissig Geld sparen, hoffentlich noch ein paar Wochen in Neuseeland Aepfel pfluecken und dann ueber Suedamerika nach Deutschland fliegen. Kann sich freilich wieder mal aendern, scheint mir aber ein guter Plan zu sein.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Radikale Dankbarkeit tut not!






Ich probiers auch mal: schick den Laptop im Flieger auf dem winzigen Tischchen platziert denke ich in recht wilden Turbulenzen über dieselben meinen der letzten Tage nach. Von hinten aufgezäumt: in aller Seelenruhe hatte ich eine Fahrt mit den billigen öffentlichen Verkehrsmitteln zum Melbourner Flughafen Tullamarine organisiert und mich noch gefreut, 5 Dollar gespart zu haben, ich alter Fuchs. Der sogenannte Skybus hätte gleich 16 Dollar gekostet. Gemütlich kaufte ich mir ein Sandwich fürs Abendessen, guckte in einem Buchladen herum und wurde durch viele Bildschirme und viel Ton im Kinomuseum etwas aufgedreht. Ging alles gut, ich kam frühzeitig am Flughafen an, trödelte ein wenig herum und weldete letztlich der freundlichen Dame von Jetstar mein schon gestern ausgedrucktes Ticket vor die bewimperntuschten Äugelein und sie schüttelte den Kopf. Ich war am falschen Flughafen, eine Stunde vor Abflug meines Fluges. Ich könnte zum Taxi eilen, was mich 110 Dollar kosten würde oder ich könnte den Bus versuchen, der es aber wohl nicht schaffen würde, wie mir auch ein nahestehender Busfahrer bestätigte oder ich könne auf einen anderen Flug umbuchen, der zwar nicht nach Brisbane, aber doch an die Goldküste fliege. Ich spürte Aufregung aufkommen. Schnell denken. Taxi zahlen? Nein, der Flug hatte mich nur 89 Dollar gekostet und das Taxi würde es vielleicht nicht mal schaffen. Bus versuchen? Zu riskant. Am Service Desk stand eine lange Schlange und das Umbuchen könnte auch teuer werden. Ich versuchte es. Wurde erstaunlich schnell bedient, kostenlos umgebucht und werde nun sogar von einer mir gar nicht allzu nahen Arbeitskollegin Emma abgeholt, die ich gestern zufällig am Telefon hatte. So viel Nettigkeit wieder mal. Emma hat mich platt gemacht, Jetstar hat mich Maulaffen feil halten lassen. In einem Buch über die Reiseschriftstellerei las ich, dass einer der Vorteile dieses Berufs sei, dass man ständig auf die Grosszügigkeit der Menschen treffe. Ich bin sicher zu einem weit grösseren Menschenfreund im letzten Jahr geworden.

Melbourne. Ein bisschen gestehe ich, an Lucas, meinen Wanderfreund gedacht zu haben, der da einen Song zitierte. „Every fucking city looks the same.“ Halt, Stop, ich höre den Aufschrei. Ist ja recht. Es war toll in Melbourne, ganz klarer Fall. Ich bin herumgesaust wie in alten Potzlertagen. Ein Konzert hier, viele Buchläden da, Kultur in rauen Mengen nur so in mich aufgesaugt. Aber ich habe mich doch gefragt: isses das, das gute Leben? Ich seh überall Beton und viel Gehetztheit und ich hab mich als Hippie gefühlt, als ich mich fragte, warum sich die Spatzen und Tauben das antun. Warum ziehen die nicht aufs Land, zu Korn und weg von den Autos. Muss das abfallende Fast food sein oder die Tatsache, dass sies nicht anders kennen.

Aber nicht umsonst ist das die Kulturstadt Australiens. Ich hab mich grossartig amüsiert als Puck durch den Botanischen Garten hüpfte und Salti schlug und Helena sich nun wirklich nicht nach femme fatale verhielt. Und ich war richtig aufgeregt, mal wieder in einem klassischen Konzert zu sitzen und war hingerissen von einer Bearbeitung für Kammerorchester von Griegs Streichquartett op. 27. Das hatte Volumen und das hatte Kraft und Klarheit und ich fragte mich, warum ist da erst der Tognetti (Geiger und Chef der kleinen Truppe) auf die Idee gekommen, hätte doch der Grieg auch schreiben können. Ich höre immer noch einige Takte im rauschenden Flieger und das ist mir verdammt selten passiert.

Puck, gespielt von einem akrobatischen Sixpackmann bei Shakespeare im botanischen Garten, war klasse. Voller Charme und Schalk war die ganze Aufführung ein echter Stadtgenuss. Und auch die vorher besuchte Ron Mueck – Ausstellung wars wert: kleine und überlebensgrosse Menschen, unter ihnen „Dead dad“ standen, lagen und hingen da herum. Unfassbare Details und Echtheit bis ins letzte Härchen und Strumpfhosen alter urteilend schauender Damen. Ich krakelte in mein Skizzenbuch und war wieder ganz im Zeichnerelement. Und im Zoo war ein echtes Platypus und ich durfte Wombats, die sehr kompakt sind, einen Taetschler auf den Ruecken geben. Ob die Tiere alle so furchtbar gluecklich sind, weiss ich nicht. Aber ich hab halt doch gesehen, was ich in Tasmanien nicht mit einem Blick erheischen konnte. Die Orangutans haben mich schwer ins Denken gebracht. Durch unseren Palmoelkonsum, das sich in ganz vielen Standardprodukten findet, aber nicht erwaehnt werden muss, wird deren Lebensraum zerstoert und fuer Plantagen genutzt. Sie werden gequaelt, gemetzelt und verbrannt. Auf meinem Heimflug koennte ich auch dort Station machen und als Freiwillige arbeiten. Plaene kommen im Gehen...

Leo verhält sich, nun ja, ungesund. Er droht, mir den Hals umzudrehen, sollte ich meinen einmal erwähnten Plan umsetzen, wieder bei Peter Vernon in Ettrick Äpfel zu pflücken. Nachdem er es in der Mine nicht lange aushielt, will er nämlich nun genau das tun. Äpfel pflücken. In Ettrick. Überhaupt ist er sehr rastlos und wirkt unglücklich, was mir auch Robyn und Rolf bestätigten, bei denen er ein paar Tage Unterschlupf suchte. Alles traurig und ich wünsche ihm nur das Beste. Der Alkohol, der Alkohol.

In Melbourne ass ich im Restaurant „Lentils as anything“. Dafür fuhr ich eine halbe Stunde mit der Strassenbahn in den Stadtteil St Kilda, am Meer mit Sandstrand und Pier. Das besondere daran ist, dass das Restaurant von Freiwilligen geführt wird. Die Freiwilligen sind Immigranten, die hier noch nicht recht Fuss fassen konnten. Sie unterstützen sich, kriegen Kurse in Englisch und auch um ihre Berufsfähigkeiten auszubauen und in einen richtigen Job zu kommen. Man kann auch gern als Frewilliger mithelfen und eine Runde Geschirr spülen oder sonst aushelfen. Am faszinierendsten aber ist, dass man sein Essen nach Gutdünken bezahlt. Jeder gibt, was er für richtig hält. Das scheint meist mehr zu sein als im gewöhnlichen Restaurant, manchmal aber auch gar nichts, so dass es sich letztlich ausbalanciert. Über „Lentils as Anything“ gibt es eine mehrteilige Doku im Fernsehen und der Besitzer hat mittlerweile auch in anderen Städten Restaurants aufgemacht. Jedenfalls war mein japanischer Pfannkuchen, der vorwiegend aus Kraut besteht und mit Soyamayonnaise und Linsensosse besprengelt war, richtig lecker und ich gab aus meiner Sicher grosszügige 20 Dollar. Als Vornachspeise hatte ich ein Stückchen Guglhupf konsumiert, der viel, sehr viel gelobt wurde und das zu recht. Flüssig, schokoladiger Kern, das ganze ein Gedicht und ich war voll und nahm ein Stück Pfannkuchen in Alu mit heim.

Daheim war die Tage in Melbourne über das Häuschen der 87-jährigen Jean. Sie ist kein offizielles Couchsurfingmitglied. Ihre Tochter Sandra hatte ich auf dem Freycinet Track kennengelernt und sie bot mir ohne meine Nachfrage einfach ihr Bett an, während sie den Overlandtrack läuft. Natürlich musste ich an Jane Austen denken, als ich bei Jean Austin im Wohnzimmer sass und nach ein paar Minuten der unablässig schwätzende und riechbar angetrunkene Nicholas kam und nach Port oder Sherry fragte. Jean parierte gekonnt mit einer cup of tea, die er gerne haben könne. So sass man neben dem Pianoforte auf der Chaiselongue, guckte auf das Plumeau und die Feuerstelle und mimte Interesse an seiner Mixtur aus Lebensweisheiten und seinem kürzlich getanen Hausverkauf. Jane Austen in Reinform eben: die Damen des Hauses unterbrechen ihre Stickereien für den Besuch des sterbenslangweiligen verwitweten Vetters, den keine heiraten mag, den man aber mit Menschenliebe erduldet.

Kleiner Rückblick nach Tasmanien: Ich erhielt noch im Auto auf der Fahrt nach Launceston, als ich wieder mal Empfang hatte (alles andere als selbstverständlich in Australien) eine Nachricht von Vorn, der mich auf seine Couch für die Nacht in Launceston einlud. Ich hab es tatsächlich geschafft, vom 20. Januar bis zum 4. Februar für keine einzige Nacht zu bezahlen und gerade deshalb eine phantastische Zeit zu haben. Vorn ist selbst viel gereist, dreimal ein Jahr, und arbeitet nun als Lehrer für ein Weilchen bevor er sich wohl wieder auf Reisen macht, sobald er sein Masterstudium als Lehrer beendet hat. Man kann hier auch als Bachelor unterrichten. Er will dann mit seiner Freundin irgendeine Reise gen archäologische Ausgrabungen machen und ich witzelte schon, dass ich ihn mit der Zahnbürste im Schlamm vor mir sehe. Ich war sein erster Couchsurfer und er wollte zurückgeben, was er durch soviel Couchsurfen erhalten hat: tolle Unterkünfte, Freunde, Bier, Parties und gutes Essen. Er ist ein Outdoorfreak, sehr sportlich und sonnig und wir hatten einen sehr netten Abend mit der Frisbee an der berühmten Cataract Schlucht, leckerem Gemüse und von mir zusammengebatztem Sushi und dem eigentümlichen Film „Babel“. Peter, der andere Couchsurfer aus Singapur fiel nicht weiter auf...

In der Früh wurde ich in die Stadt kutschiert und von dort von Billie zum Flughafen gefahren. Was für eine offene, lebensfrohe Person. Wir hatten eine sehr muntere Autofahrt und einen guten Flug zusammen und skizzierten unsere Leben und Erfahrungen. Gesundes Essen, Bewegung, Lebensfreude, da lässt sich gut eine Unterhaltung für einige Stunden bestreiten.

Wieder in Mount Tamborine wurde ich sehr herzlich von meiner Familie Elizabeth, Vaughn, Xavier und Zane mit einem frisch bezogenen Bett empfangen. Ich war an meinem alten Arbeitsplatz, wo ich am Sonntag wieder richtig anfange und alle meine wilden Geschichten von meiner kleinen Reise hören wollten. Das Apfelpflücken habe ich sehr vermisst, aber ich halte mich doch an mein Versprechen, noch für Bungunyah zu arbeiten. Ich rief meinen alten Chef Peter Vernon an, und werde nun wohl etwas später gen Äpfel fliegen und damit meine vom Reisen geschundene Kasse auffüllen. Ich bezweifle, dass Leo noch dort sein wird, selbst wenn er in der nächsten Zeit nach Neuseeland fliegen sollte. Ich habe mich für einen Nebenverdienst als private Putzfrau beworben und hoffe, dass da noch was rausspringt. Ein Fahrrad versuche ich mit einem Aushang und Rumfragen zu organisieren, will ich doch nicht immer Elizabeth und Vaughns Ute leihen. Ich war gestern nach einiger Zeit wieder laufen und da Vaughn doch sehr viel Erfahrung im Fitnessstudio hat, habe ich beschlossen, das mal auszuprobieren und mit ihm zu trainieren. Er sagt mir schon, was gut für mich ist. So bin ich voller Energie, fit und drahtig für neue Abenteuer, jiha!

Jetzt haette ich beinahe mein kleines Melbourneerlebnis vergessen. Am ersten Tag in Melbourne lief ich heim. Es war Rushhour und ich lief durch eine Strasse mit stehenden Autos, in jedem ein Fahrer, grau, abgeschlafft von einem Tag im Buero noch eine gute Prise Abgase zu sich nehmend. Ich lief sehr beschwingten Schrittes, hatte meinen MP3-Player im Ohr und es passierte, was mir manchmal widerfaehrt: das Glueck, das schiere Glueck. Ich sang lauthals in all dem Stadtlaerm meine Songs vor mich hin, strahlte die Fahrer an und feierte das Leben. Und wer lachte zurueck, ganz freudig und verstehend? Inder. Einige Inder sassen da als Beifahrer in meist grossen Autos irgendwelcher Bauunternehmen. Es gibt da ein paar Weisheiten in der Welt, die sind in Indien weit besser angekommen als in der westlichen Welt, will mir scheinen. Dass das Leben eines zum Feiern ist und dass man nicht allzu ernst nehmen sollte. Und schon gar keinen Stau. Und dass Momente kostbar sind und man sich selbst dafuer entscheidet, gluecklich zu sein und nicht die Umstaende.

Montag, 8. Februar 2010

Busy in Melbourne

Exklusiv, auf echt-zeit, sobald Frau P. aufgehört hat, in Melbourne herumzurennen. Ein gestreicheltes Wombat, ein beglotztes Platypus, eine Morddrohung von einem Exfreund, sollte sie Äpfel in Neuseeland pflücken, ein Kammerkonzert und das Singen gegen die Rushhour (was neben der Autorin vor allem Inder sehr glückbringend finden), der Aufenthalt bei der 87-jährigen Jean Austin und das Gekritzel eines Rembrandt in mein Zeichenbuch und die Frage, warum nicht alle Vögel aufs Land ziehen. Wie weiter? Hm, das weiss nicht mal Frau P. selbst. Aber sie schreibt, bald, versprochen!

Donnerstag, 4. Februar 2010

Des Lebens beste Pläne






Die Pläne, die das Leben für mich macht, sind viel besser als meine eigenen!

Von Jo wurde ich sehr herzlich verabschiedet. Wir hatten richtig viel Spass, genossen die drei Abende zusammen sehr mit Steve und dann mit guten Filmen („Charlie und Boots“, ein australisches, sehr witziges Roadmovie, „Stanley und Iris“ und „The Holiday“, einer meiner Lieblingsheulfilme). Wir grillten Gemüse, das ich heimbrachte und einer der Hunde, Nina, stahl und einen Laib Fruchtbrot, das ich heimgebracht hatte. Wir haben uns im Supermarkt an der Kasse mit dem garantiert langsamsten Kassierer aller Zeiten, der auch noch meine Zucchini auf den Boden warf, schief gelacht und konnten kaum an uns halten und starrten daher gebannt auf den Parkplatz. Das musste ich mit „Sehr schöner Parkplatz hier“ kommentieren, was den Nachbarkassierer blitzschnell zu uns schauen und Jo vor Lachen losbrüllen liess. Das hatte alles etwas von der Qualität alter Freunde und wir lobten uns gegenseitig mächtig auf Couchsurfingprofil der jeweils anderen.

Der Bus brachte mich in den Freycinet Nationalpark an der Ostküste Tasmanien, wo ich eilig meine Sachen umpackte und einschloss und mich hurtig auf den Weg machte. War es doch schon drei als ich dort ankam und mein Führer sprach von bis zu fünf Stunden Wanderung zu meinem Campingplatz am Strand. Die Strände dort sind gigantisch, mit riesigen Muscheln, Krabben, meist tot und einem toten Pinguin. Der Sand ist weiss, das Wasser sehr klar, grün ins Blaue übergehend und ich musste natürlich auch einen kleinen skinny dip einlegen bevor ich nach weniger als vier Stunden am Zeltplatz ankam wo ich auf die Melbourner Sandra und Devon traf. Die beiden sind Bekannte aus dem Bushwalkingclub und wir hatten eine nette Campingbekanntschaft mit geteiltem Essen, das sich somit in mehrere Gänge für alle verwandelte. Wir reden hier von getrockneten gekochten Früchten und Pudding zum Nachtisch. Luxus pur! Fand auch ein Wallaby, das sich sogar von uns streicheln liess und in der Nacht ums Zelt strich. Vielleicht warens auch Possums, die Devons Müllsack sauberleckten. Der nächste Tag ging über einen kleinen Berg, Mount Graham (579 m), den ich auch ganz beherzt erklomm. Oben genoss ich die Aussicht auf beide Seiten der Halbinsel und plauderte mit einem Engländer und einen Kiwi und wir teilten zwei Kekse, die mir Sandra mitgegeben hatte. Bis ich Blut über meinem linken äusseren Knöchel sah. Ich hatte zuvor nichts gespürt und wusste nicht, woher es kam. Genauere Untersuchung brachte eine Wunde zu Tage, klein und eben blutend. Ich dachte an einen Kratzer, der Kiwi meinte, das könnte ein Schlangenbiss sein und ich war leicht beunruhigt. Ich guckte genau, aber es sah doch alles nach Kratzer aus. Er meinte dann, ach selbst wenn, man könne mich ja tragen und das Gift sei hinten am Kopf der Schlange, das hätte mich bestimmt nicht erreicht. Alles nicht überzeugend. Ich traf auf eine weiter kleine Gipfelstürmergruppe, die Jungs erzählten mir von einem Freund, der den Biss auch nicht spürte und daheim in der Dusche zusammenbrach. Aber nein, das sehe nicht nach zwei Löchern aus, das werde schon nichts sein. Ähm... ja. Nun soll man bei Schlangenbiss stillsitzen und sich nicht anstrengen, verbinden, Glied unterhalb des Herzens halten und auf Hilfe warten. Aber ich war auf dem Gipfel eines Berges, wo kein Hubschrauber hätte landen können und auch sonstiges nicht weiter fruchtbar schien. Nach einer Stunde kriegt man normalerweise richtig Probleme, mit starkem Schwindel und Halluzinationen. Ich beschloss, weiterzulaufen, wissend, dass der Kiwi und der Engländer den gleichen Weg liefen und mich aufsammeln könnten. Ich lief wie eine Blöde, fand den Weg lächerlich einfach und überhaupt nicht wild und vertikal fallend wie im Führer beschrieben. Nach einer Stunde war immer noch alles gut, der Kratzer sah immer noch aus wie zuvor und ich dachte über mein Leben nach. Ein richtig gutes Leben, mit viel Freude und Wärme und Spass und Erlebnissen. Keine Reue. Aber ich will noch mehr davon und ich gestehe, eine Art Stossgebet gedacht zu haben. Immer weiter, ich bin stark, ich kann das, es war keine Schlange. Ein eigentümlicher Zustand. Und dann, kurz vor meinem nächsten Campingplatz kamen mir Sandra und Devon auf der Suche nach Wasser entgegen und er meinte nur, nein, ich brauche keine Hoffnungen auf ein frühes Heldengrab haben, das sei ein Kratzer, sonst hätt ich schon was gemerkt nach der Zeit. Ich war sehr, sehr erleichtert und ging an den Strand, wo mich vor allem die gute alte Erkenntnis nachgerade überschwemmte: ich brauche nur leben und glücklich sein, das ist mein Job hier auf Erden. Leben und alles ist gut. Ein weiteres feines Dinner und alles schien mir bunter, besser und wunderbarer als je. Selbst als der einundsiebzigjährige Devon wieder mal damit anfing, dass in Mitteleuropa wohl nichts ordentlich wächst und wir daher kein Obst und Gemüse haben und wohl wiederum deshalb so viel Fleisch essen, fand ich es nur noch grossartig. Sandra meinte, sie gebe mir gleich ihre Adresse und malte mir auf, wie ich zu ihrem Haus fände. Sie ist 41 und lebt mit ihrer Mutter. Da sie nun aber hier in Tasmanien den Overland Track laufe, könne ich doch wohl gut in ihrem Bett schlafen. Sie riefe die Mutter an und ich könne dann gleich vom Flughafen aus dorthin und auch ein Fahrrad stehe für mich bereit. Ich war hingerissen. Die beiden wollten auf einer Aussichtsplattform campieren bevor sie morgen den Bus um sieben in der Früh nehmen. Nun patroullieren dort aber mehrere Ranger und zelten ist dort verboten. Ich war mir nicht sicher, ob sie sich einen Gefallen tun, aber ich werde später mehr erfahren, wenn sie mir Photos schicken, auf denen ich allzu zahme Wallabies streichle.

Ich wanderte also aus dem Nationalpark gen Besucherzentrum, um mein Zeug zu holen, wurde aber gleich in einem Auto am Parkplatz mitgenommen und auch vom Besucherzentrum hatte ich in fünf Minuten eine Fahrt per Anhalter ins kleine Örtchen Coles Bay arrangiert. Dort ging ich in den Supermarkt für ein selbstgebasteltes Mittagessen mit Guacamole, Fladenbrot, Tomate und Thunfisch (soll mal einer sagen, ich esse nicht gut auf Reisen!) und setze mich auf eine Picknickbank am malerischen Strand. Ich plauderte mit einem Touristenpaar, das mir aber nicht allzu nett schien, so dass ich sie intuitiv nicht nach einer Mitfahrgelegenheit fragte. Kurz darauf kamen Bernard und Margret, die weiter in den Norden nach St Helens wollten und mich gerne mitnahmen und nette Unterhaltung waren. Es war halbfünf Abends und ich hätte gut in St Helens übernachten können, von dort wäre sogar am nächsten Tag in der Früh ein Bus gefahren, wenn auch nur einer und der sicher sündteuer, da es sich um eine private Gesellschaft handelt. Ich guckte kurz ins Internet, ging aufs Klo und dachte mir, ach, ich hab doch nichts zu verlieren, vielleicht kann ich mir nochmal eine Fahrt organisieren. So schlenderte ich mit meinen beiden Rucksäcken gen Ortsausgang und traf auf zwei Leute in der Nähe eines Autos, die ich ansprach, wo ich denn von hier am besten nach Launceston weiterkäme. Ach, meinte der jüngere Kerl, einfach, da vorn ums Eck, ist aber mit der kurvigen Strasse noch drei Stunden, aber mich nähme bestimmt wer mit. Sie meinte, sie fahre in einer halben Stunde in die Richtung, allerdings nur 20 Minuten weiter, wo sie wohne, sie nähme mich aber mit, wenn ich noch dort wäre. Alles gut und schön, ich lief also um die Kurve und streckte meinen Daumen in den Wind. Einmal. Dann kam sie angefahren, war doch alles viel schneller als gedacht, meinte sie, sie nähme mich nun mit. Ich war ein wenig am Überlegen, was ich denn in diesem kleinen Ort, der nicht mal auf der Karte war, tun würde. Aber ich beschloss, nicht zu grübeln. So kamen wir ins Plaudern. Jaja, sie wohne hier, sie arbeite aber in Western Australia, habe nun nur frei. Nach Launceston, ach, das könne mich einen Tag kosten, dorthin per Anhalter zu fahren. Sie fahre aber morgen dorthin, aber eine andere Strecke. Jaja, ich müsse zum Flug, mir sei das wurscht, auf welcher Strecke. Flug, ja sie auch. Wann? Fünf vor zehn übermorgen. Jetstar? Melbourne? Ja, sie auch. Na, ich könne ja in ihrem Bungalow neben ihrem Häuschen schlafen, sei nur etwas staubig, sollte wohl vorher staubsaugen. Zu essen sei genug im Haus und im Garten, sie sei auch wwoofgastgeber und habe hier ihr Land mit eigenem Fluss. Billie ist ihr Name und ich konnte mein Glück nicht glauben. Es lief alles wie am Schnürchen und nun fahre ich sogar morgen nach Launceston und am Tag darauf direkt zum Flughafen. Ich habe dann in Tasmanien für höchstens eine Übernachtung bezahlt und das könnte morgen sein. Das Leben hat da einen verdammt guten Plan für mich!