Samstag, 12. Juni 2010

Chaos in Kuala Lumpur und buddhistische Distanznahme gen wahres Glück

Kuala Lumpurs öffentlicher Verkehr rangiert bei mir ungefähr auf der Ebene von Xylitol Kaugummi. Letzter zerfällt in breiige Kleinteile, die an den Zähnen kleben bleiben. Der minzige Geschmack macht das sicher nicht wett. Der öffentliche Verkehr ist sehr undurchsichtig. Es gibt doch Menschen, die sowas studieren - wie designe ich die Infrastruktur einer Stadt? Die sind arbeitslos und ich renne wie ein Huhn von einer Station zur anderen, die eigentlich eine sein sollte, aber dann eben doch einen Kilometer auseinander liegt. Natürlich ohne Beschilderung mit Hüpfen über metertiefe Löcher im Beton. Ein besonders geschickter Kniff ist, dass vollständig unterschiedliche Stationen unterschiedlicher Linien den gleichen Namen haben. Und auf den Karten haben die Linien immer unterschiedliche Farben. Tickets kann man nicht für die ganze Fahrt kaufen, sondern muss immer wieder ein neues Ticket erwerben, um dann im nächsten Bähnchen weiterfahren zu können. Sehr, sehr interessant für eine Hauptstadt, die ansonsten gar nicht unmodern ist. Sie ist sogar so modern, dass es bisweilen keine Fusswege gibt und man eigentlich ein Taxi für fünf Meter Fahrt nehmen muss. Und da sind ja auch Touristen, Menschen mit ernstzunehmenden Jobs, die gar nciht unbedingt Auto fahren wollen, es dann aber doch tun, weil man ja nicht immer 2 Stunden für 5 km investieren will. Interessant.

Kuala Lumpur hat wieder gutes, vielfältiges Essen, billiges Shoppen nach Sportklamottenkopien, Crocs und Flipflops, viel Beton, viele grosse Einkaufszentren. Und gottlob wieder einen grossen japanischen Kinokuniya Buchladen. Als bekennender bookaholic verbrachte ich dort meine entspanntesten Stunden und beschloss einfach das schlechte Gewissen zu ignorieren. Man muss doch dies und jenes anschauen gehen und ein pflichtbewusster Tourist sein. Als käme es darauf an, später einmal sagen zu können, was ich alles abgeklappert habe.

Wieder einmal habe ich eine sehr gute Zeit auf meiner Couchsurfingcouch. Ich schlafe fürstlich und habe mit Angel eine nette Ingenieurin als Gastgeberin. Sie war sehr sehr geduldig als ich wegen des öffentlichen Verkehrs und Staus 2,5 h später am verabredeten Ort ankam, wo sie im Auto mit ihrer Schwester wartete. Sie hat auch gern mehr Couchsurfer gleichzeitig um sich und in der Wohnung, die so herrlich normal westlich wirkt. Das hat den Vorteil von Schokofondue und mehr Gesellschaft für mich und vor allem der Amerikaner John, der gerade das Philosophiestudium mit einem Logikkurs angefangen hat, war gute Unterhaltung. Er fragte mich nach meiner Meinung zu diesem und jenem und allem und es schien als sollte ich Gottesbeweise und Lebensanleitungen in einem Nachmittag lässig aus dem Ärmel schütteln. Ich genoss seine ehrliche Neugier und auch, dass er ein paar Ideen bezüglich der Philosophie hat, die mir selbst nur zu bekannt sind. Das studieren wir und dann haben wir Antworten, z. B. Auch voreilige Schlüsse sind darunter und einfache Ideen zu Freiheit und Determination. Mir wurde klarer, dass ich eben doch Fortschritte gemacht habe, in all den Jahren und es war mir wieder sehr deutlich, wie sehr ich doch diesen geistigen Spielplatz liebe. Ein Loblied auf die Philosophie!

Flapsig formuliert: ich bin ziemlich auf dem Buddhismustrip. Lama Zopa Rinpoche gab in Kuala Lumpur seine Vorträge, daher hatte ich es ein bisschen eilig, hierher zu kommen. Der gute Mann sass vor geschätzt tausend Leuten, reinigte im Zweiminutenabstand lautstark seinen Hals ins Mikro und schien insgesamt sein Vergnügen zu haben und lachte viel. Überhaupt wirken die buddhistischen Mönche sehr humorig, sehr frei und lustig.

Nun bin ich freilich an strukturierte Vorträge gewöhnt und kann so ein munteres Anekdotenerzählen erstmal nicht recht schätzen. Aber da ich mich nun wirklich sehr darauf gefreut hatte, beschloss ich auszuharren. Und tatsächlich - ich war ziemlich beeindruckt. Letztlich hatte doch alles einen Punkt.

Der Hauptpunkt war, dass es unserer Erziehung an der Schulung des Mitfühlens mangelt. Wer mitfühlt, befördert den Weltfrieden, tut keinem Tier und keinem fühlenden Wesen was zu Leide. Jeder Mensch hat die Fähigkeit zu derartigem Mitfühlen, nur muss diese Fähigkeit erst weiter ausgebildet werden.

Die Grundidee meiner weiteren Lektüren ist, dass alles menschliche Leben Leiden ist, mal mehr mal weniger, mal offensichtlicher, mal verdeckter. Das Problem ist, dass wir zu sehr an Dingen oder auch Erlebnissen, dem eigenen Ich und überhaupt allem Weltlichen hängen und glauben, das brächte uns Befreiung vom Leiden. Die einzige Lösung ist, Glück in sich selbst zu finden, die eigenen Gedanken zu beobachten und festzustellen, dass es unsere Gedanken zu allem, was geschieht sind, die Leiden verursachen und nicht die Dinge der Aussenwelt. Das gleiche gilt fürs Glück, das nicht vom aussen abhängig ist - daher nicht zu sehr an den Umständen hängen.

Zwei Zitate, die mich beeindruckt haben:

A loving, compassionate person heals others simply by existing. Lama Zopa Rinpoche

Seeking happiness outside ourselves is like waiting for sunshine in a cave facing north. Tibetan saying

Heimatland, welch Unterfangen, eine Minizusammenfassung buddhistischer Einsichten. Das kann nur in die Hose gehen, weiss der studierte Philosoph. Auch egal. Soweit mein momentaner Erkenntnisstand, der mich ernsthaft dazu verführt, einen Monat in tibetischen Bergen in einem Kloster zu meditieren. Auja, das wärs jetzt!

Und vor KL, wie man Kuala Lumpur gewöhnlich abkürzt, habe ich meine geplante Runde durch Malaysia gedreht. Geplant war nicht, aber dafür sehr willkommen, dass ich Robin aus Holland kennenlernte. Er hatte in Singapur gearbeitet und chauffierte mich und Paula, ein Mädel aus Neuseeland von den Cameron Highlands zum Hafen zu den Perhentian Inseln und von dort weiter in den Dschungel Taman Negara und schliesslich nach Kuala Lumpur. Schlicht gesagt: Luxus pur, so einen Chauffeur zu haben. Wir kamen alle gut aus und hatten eine gute Zeit zusammen. Was wir erlebt haben, berichte ich morgen bevor ich nach Cambodia fliege und hoffentlich sanft in Phnom Penh auf einer neuen Couch lande.

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