Donnerstag, 24. Juni 2010

Koh Kong und kleine Bilanzen






Ich in zurück in in Phnom Penh. Was für eine Tour! Mit dem Nachtbus fuhr ich von Siem Reap nach Koh Kong. Der Bus sei direkt (ich musste umsteigen und über eine Stunde warten) und ein Schlafbus, also mit richtigen Liegen, wie das Hochglanzphoto zeigte. Nein, nichts zum Ausfahren, ein normaler Bus. Aber ich schlief erstaunlich gut und lange. Bereite mich schon mal auf das lange Fliegen übermorgen vor. Morgen fliege ich erstmal zurück nach Kuala Lumpur. Der Bus setzte mich auch nicht in Koh Kong ab, sondern an der thailändischen Grenze, im strömenden Regen mit knöcheltiefen Wasserstrassen und die Taxis verlangten irrwitzige Summen, erkannten sie doch die Schwierigkeit der Lage. Ein Japaner in den späten Vierzigern teilte sich letztlich mit mir ein Tuktuk und zahlte sogar die Fahrt. Problem war nur, dass er mich dann so sehr mochte, dass er mich am Nachmittag überall im Ort auf einem Motorrad suchte. Wäre auch gut gewesen, hätte er englisch gesprochen. Ich fühlte mich ein wenig unnett, ihm nicht meine volle Aufmerksamkeit und Gesellschaft zu schenken. Dafür plauderte ich am Abend mit einem Alkoholiker, der von sich sagt, er sei gern Alkoholiker und einem deutschen Hostelbesitzer, der eine Cambodianerin geheiratet hat und einem Australier, der buddhistischer Mönch werden will. Zuviel schlechtes Karma kann ich nicht angesammelt haben, wenn ich so nette Gesellschaft statt des Japaners kriege.

In Koh Kong lieh ich mir ein Mountainbike und radelte zum Mangrovenwald. Die Bäume stehen mit ihren Wurzeln im Wasser und bilden ein kleines Insellabyrinth in der Gegend und sind wichtig, um den Boden zu halten, aber auch weil Shrimps und Fische ihre Nester dort bauen. Sieht nett aus, auch wenn es wieder mal schüttete, was in der Regenzeit hier ganz normal ist. Dass ich wieder mal in Matsch gebadet war, ist eh klar. Lange sass ich da und guckte aufs Wasser in der Hoffnung einen Süsswasser Irrawaddy oder auch Mekong River genannten Delfin zu sehen. Sehr selten, sehr drollig anzusehen. Man gab mir wegen des Regens keine Chancen und ich sah auch tatsächlich keinen. Aber ich beschloss, den Tag einfach gemächlich zu geniessen, dazusitzen und stundenlang Ajahn Brahms Reden zuzuhören, den ich mir zum momentanen Guru auserkoren habe. Seine Buddhismusreden kann man kostenlos herunterladen. Sie sind lustig und weise und sehr lehrreich. Der Buddhismus wird mit jedem bisschen Wissen, das ich dazugewinne attraktiver für mich. So vieles deckt sich mit meiner Erfahrung und ich mag das Undogmatische Erfahrungsorientierte – sollten die Naturwissenschaften herausfinden, dass die buddhistischen Lehren falsch sind. Da scheint es auch kein wildes Drohen zu geben, es ist mehr ein – probiers aus! Ich glaube, Buddhismus macht mir einfach Spass und das hätte ich von einer Religion gar nicht erwartet und mich daher bis dato recht fern gehalten.

Ich denke nun natürlich übers nach Deutschland fahren nach. Wenn ich ein wenig in der Laune bin, noch weiter reisen zu wollen, sehe ich Deutschland einfach als weiteres Land auf meiner Lebensreise. Wie ich mich genau verändert habe, kann ich vermutlich erst so richtig sagen, wenn ich mit alten Freunden rede, durch meine geliebten, sehr bekannten Wälder laufe. Aber ich kann doch eine Zwischenbilanz ziehen.
Ich fühle mich ausgeglichen, zwar etwas müde von all dem vielen Tun, das ich mir jeden Tag verordnet habe, aber doch auch ruhig. Ich bin wer ich bin und kümmere mich immer weniger darum, was andere von mir halten. Ich weiss mehr, was mir wichtig ist. Die Grosszügigkeit, das Menschliche, der Spass und kein Bierernst (das Leben ist viel zu wichtig, um ernstgenommen zu werden, hat so glaube ich Oscar Wilde gesagt). Überhaupt „bierernst“, dabei heisst es doch immer, Bier macht lustig. Hm. Es ist wunderbar für mich, nicht zu trinken oder Drogen zu nehmen. Brauche ich einfach nicht, ebenso wie Pubs und Diskos, um Menschen kennenzulernen und ebensowenig ein (grosses) Auto und eine Riesenwohnung für die ich nur umso härter arbeiten müsste, mehr Ballast, mehr Reinigung. Ich muss nicht durch Dinge zeigen, wer ich bin. Dass ich bin ist absolut gut genug. Aber ich will den Schnee, den ich am allermeisten vermisst habe, die Skitouren, die ruhigen, riesigen Berge im Schnee. Ich denke über Schneereisen in den Norden nach. Ein Jahr im Schnee- wow! Das ist mir immer geblieben.
Ich bin flexibler. Schlafen geht nahezu überall, ich komme mit nahezu jedem Mensch in irgendeinen guten Kontakt, ein Leben ohne Schokolade und Milchprodukte ist möglich (wenn auch nicht nötig), alleinsein ist schön, Gesellschaft ist klasse.
Aber ich bin auch unflexibler, beharrlicher in manchem. Ich will wirklich nicht mitten in einer Grosstadt, ich mag Natur, ich lasse mir weniger dreinreden. Egal wer mich wohin haben will, ich mache mein Ding. Sehr starrköpfig, noch schlimmer als früher.
Ich habe die volle Zuversicht, dass alles gut wird, egal wie sich die Dinge entwickeln. Ich bin sehr glücklich darüber rausgefunden zu haben, dass ich in outdoor education gehen mag und werde und damit habe ich das Gefühl, dass das Philosophiestudium letztlich hierher führte, das Arbeiten und vor allem das Reisen. Ich habe lange, lange gesucht, was ich machen will und nun zumindest für eine Zeit lang gefunden. Ich bin emotionaler, unfassbar gerührt wie viele vollständig fremde Menschen ich getroffen habe, die offenbar nichts lieber taten als mir auf verschiedenste Weisen zu helfen. Ich interessiere mich brennend für eine Religion, was mir früher eher nebensächlich war. Ich kann nur sagen: ich bereue nichts. Was für eine Reise, was für ein Fest. Natürlich war es hart, die vielen Teller zu spülen, von Leo manchmal richtig gebeutelt zu werden und mich hie und da ein wenig einsam zu fühlen. Aber ich habe doch so viel dazugelernt. Alles ist möglich, wenn ich mich erstmal entschliesse, etwas zu tun. Es ist nicht wichtig, was irgendwer sagt, es ist mein Leben. Klar, ich bin ziemlich pleite, wenn ich heimkomme. Mit Geld ist es einfacher, aber ohne nur eine weitere neue Erfahrung, sofern ich nicht endlich meine sehr wahrscheinlich beträchtlichen australischen und neuseeländischen Steuern und Rentenzahlungen zurück kriege. Ich habe Jobs in Neuseeland und Australien gefunden, da wird sich schon in Deutschland auch einer auftun. Für Hinweise bin ich mehr als dankbar und offen für alles! Bedienen, Geschirrspülen, schreiben, putzen, nachhelfen, schick herumlaufen oder nicht, ich habe auch gefestigt, dass das alles nicht ich bin. Das ist ein Job, den ich mache, ein kleines Segment meines Lebens, aber doch nicht meine Identität. Wie oft habe ich doch in Deutschland die Frage gehört, was ich mache und da wollte man von meinem Beruf hören. Dass ich Philosophie studiere, hat meist zu herablassendem Schauen und der Frage geführt „Und was macht man dann damit?“. Manche Leute waren ehrlich und aufrichtig neugierig, viele wollten Überlegenheit demonstrieren schien mir. Kommt und geht alles, die Büros und die Anzüge, das schicke Auto und Haus. Sind sie glücklich, ist die Frage. Manche ja, manche nein, manche finden die Frage schon obszön.
Die Welt und die Menschen – ich kann nicht anders als sie lieben und nehme daher weit mehr Anteil als zuvor. Geschichte, Geographie, das sind auf einmal interessante Gebiete für mich. Ein wunderbares Abenteuer, zwanzig Monate, die mir im Rückblick sehr intensiv und abwechslungsreich sind. Was für ein Fest!
Ich werde diesen Blog vermissen, ihn aber in ein Buch umwandeln und sehen was passiert. Wenn ich es einem Verleger andrehen kann, hervorragend. Wenn nicht, habe ich meine Erinnerung in Buchform niedergeschrieben, das wird auch eine sehr gute Erfahrung. Ich habe schon jetzt eine Reihe Leser, die es sofort zugeschickt bekommen wollen.
Vielen Dank all meinen wunderbaren Lesern, die ihr mich so viel mit Ratschlägen und Kommentaren unterstützt habt. Von meinen Freunden hat mich wirklich keiner enttäuscht. Ich wusste doch, dass Ihr klasse seid und mir nicht untreu werdet, nur weil ich am anderen Ende der Welt bin. Das ist nicht selbstverständlich, ich habe einige Reisende klagen gehört, dass sie von den Daheimigen nur Unverständnis oder gleich gar keine Nachrichten mehr erhalten. Für mich hat sich bestätigt, dass einem nahe ist, wen man liebt, da macht die räumliche Trennung nicht viel aus.
Vermissen werde ich vermutlich das täglich Neue und Ungewisse. Ich mochte es, immer so beschäftigt zu sein, das entspricht meinem Energielevel, auch wenn ich nun sehe, wie wichtig es für mich ist, immer wieder einfach nur still zu sitzen und nichts zu tun. Aber ach, es gibt so viele neue Abenteuer und es gibt vor allem Euch, die ich so lange nicht gesehen habe. Ich kanns kaum erwarten, Euch einen Knuddler zu verpassen und wieder mal viel zu viel zu reden!
Ich breche nach Kuala Lumpur auf, von meiner netten Couch bei der Litauerin Ruta in Phnom Penh zu meiner netten Couch bei Angel. Hab ichs nicht gut?

Das kleine Hunderl in der Tasche reiste im Gepäckfach im Bus mit. Es kam mit einer grossen Familie, in einem kleinen Tuktuk und unfassbar viel Gepäck in Säcken zur Bushaltestelle und wurde dort in den Gepäckraum verfrachtet, wo es die sechs Stunden unbesucht auszuharren hatte. Aber er war vor der Fahrt einfach nur lieb und sanft, als ich ihn streichelte und ebenso nach der Fahrt. Ich wollte als wir eine Pause machten, den Hund an die frische Luft lassen, aber es kann ja keiner Englisch. Eine schwache Entschuldigung, so fühlt es sich an. Als ich ihn in Phnom Penh nochmals ausgiebig streichelte, kam der Vater der Familie an und meinte, you like dog, you have it. Er ist ein ganz besonderer Hund, sowas Liebes. Aber ich kann doch keinen Hund auf meine Flüge mitnehmen. Ich hätte es glatt getan, wäre es möglich, aber mit all der Quarantäne hätte ich bestimmt nicht fliegen können. Ich wünsche ihm ein gutes Leben, seufz und denke an ihn. Armer Kerl...

Ich hoffe, Ihr habt auch noch Lust auf die Folge "Tempelbliss in Angkor", die fast fertig ist und hier hoffentlich morgen erscheint. Die Tempel haben mich vor Begeisterung fast vom Radl gerissen und das passiert bei irgendwelchen Tourimussmonumenten fast nie der Fall. Ihr erinnert Euch, dass ich mich nicht mal zum Taj Mahal in Indien begeben habe.

1 Kommentar:

  1. Ja das hört sich doch alles sehr vernünftig an....Und nicht vergessen: schon in 1 Woche, am 4. Juli um 18.00 bist du bei Saschi zum Grillen. So klein ist die Welt. Hätte auch nen Stapel Bücher über Buddhismus zu verleihen.

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