Samstag, 10. Oktober 2009

Korallenschnorcheln, zeichnen und surfen






Ich bin immer noch in Bundaberg, immer noch „in the sticks“, also ein gutes Stück weg von Läden und Internet. Es ist schon seltsam- hier fühlt es sich recht nach einem Zuhause an. Früh aufstehen, umgraben, anpflanzen, einen Hennenverschlag bauen. Und nach ein paar Tagen habe ich eine kindliche Freude, wenn die Kräuter und Karotten einen Millimeter grün zeigen und meine mittlerweile fünf Hühnchenkinder das erste Mal herumfliegen und offensichtlich ihren neuen Freiraum geniessen.
Freiraum hab ich mir auch gegönnt- wenn ich schon so brav hier wwoofe, so sollte ich dennoch was von der Gegend sehen. Grund meiner Reise in den Norden der Ostküste war, das Great Barrier Reef zu sehen. In der Gegend um Bundaberg trifft das Riff auf die Küste, oder fast. Nach kurzen Erkundigungen fand ich heraus, dass es hier eine kleines Inselchen zu besichtigen gibt, das von Korallen umgeben ist. Mit einem Boot kann man zu Lady Musgrave Island schippern und dort den Fischen in die Korallen folgen. Man kann auch zu Lady Elliott Island fliegen, das ist aber bedeutend teurer und aus meiner Sicht unnötig.
Ich habe mich für einen Tagesausflug nach Lady Musgrave enntschieden. Dort hätte man auch wunderschön campen können, aber ich hatte keine Lust den doppelten Fahrpreis von 165 Dollar zu zahlen. Plus 4 Dollar Campinggebühr, pah! Auf dem Hinweg ging es ein wenig rund an Bord. Die bibbelnden ca. 40 Asiaten wurden grün und grüner im Gesicht und machten meist mehrfachen regen Gebrauch der Spucktüten. Ich werde älter und mir war auch etwas mau, allerdings entschied ich mich für ein kleines hilfreiches Nickerchen, gepaart mit dem Mantra „Seekran sind nur Schwächlinge“. Man legte vor der Insel an und fuhr mit einem Glasbodenboden weiter über Korallen und Schildkröten, was einen guten Vorgeschmack aufs Schnorcheln gab. Die Insel ist 17 Hektar gross und rundum ist Korallenstrand. Man darf kein Stückchen mitnehmen, was ich Schlimme in ein winziges Stückchen weisse, knochenähnliche Koralle uminterpretiert habe. Das lag da herum, ohne offensichtlichen Gebrauch für Tier und Pflanzenwelt und ich konnte nicht wiederstehen. Mein eigener illegaler Zentimeter Insel. Es gibt dort auch böse kleine Krabben: ein Biss von ihnen aus einer hübschen Schneckenmuschel heraus und man darf auf einen 4000 Dollar teuren Helikopterflug ins nächste Krankenhaus hoffen oder man kann die letzten 4000 Dollar seines Lebens sparen. Ansonsten sind dort nur laute und viele fluglose Vögel, die es aber immerhin bis auf die Bäume schaffen. Irgendwann konnten sie mal fliegen, auf der Insel haben sie es aber aufgegeben. Auf der Insel wachsen Pisoniabäume, die sehr leicht in Stürmen umfallen. Sie haben klebrige Blüten, mit denen sie die Vögel fangen, die dann verhungern und als Dünger in den Boden eingehen. Erstaunlich. Der beste Teil war nicht das Mittagsbüffet, sondern die Schnorchelei. Ich war zweieinhalb Stunden im Wasser und einfach nur fasziniert. Bleistift- und Tintezeichnen macht sehr viel Spass, aber nach diesem Ausflug brauchte ich Farben, Wasserfarben für all die Fische. Alle Grundfarben und zahllose Mischfarben, fröhliche und distinguiert scheinende zwischen farbigen Korallen und Seesternen. Sie scheinen nicht weiter gestört von der Anwesenheit der Menschen und kommen zum Greifen nah. Schade, dass ich keine Unterwasserkamera habe, um schummrige Photos zu schiessen, die dann doch nur ich schätzen würde. Das Wasser ist klar, blaugrün, türkis. Die Asiaten waren wieder eine Freude, trauten sich nicht recht ins Wasser oder wackelten aufgeregt auf dem Absprungplatz herum, tauschten Flossen, Maske und Schnorcheln ungefähr so oft wie die Spucktüten und fanden ständig Grund zu den kontinenttypischen Kichereien. Erstaunlich. Die letzte kleine Lästerei: drei Minuten vor Ende der Fahrt bildeten sie eine lange Schlange vor der Toilette, die sie vorher weitgehend unbeachtet liessen und drängten munter und laut. Die Crew war nett, das Essen fein und ich war glücklich.
Richtig nett war auch der englische Busfahrer David. Ein weisshaariger Herr um die siebzig, den ich im Fahren mit mit viel Freude zeichnete. Er lebt auf einem Boot. Er meinte, ich könne jederzeit kostenlos mit ihm im Bus mitkommen, wenn ich in Agnes Water, 120 km von hier surfen wolle. Leihgebühr Brett mit Unterricht für vier Stunden 30 Dollar, da war ich dann schnell dabei. Die Fahrt war nett, wenn auch David frei hatte und ich von einem grummeligen und vom Leben gelangweilten ausgewanderten Kölner chauffiert wurde. Der Surflehrer ein witzelnder Sunnyboy, der gar nicht aufhörte uns auf die Schönheiten von Natur und Strand hinzuweisen, wohl um von den eigentlich nicht existierenden Surfwellen abzulenken. Immerhin hat er mir beigebracht, dass was ic bis dato gelernt habe, falsch ist. Der Strand war hübsch, ich sah hunderte Sandkrabben, die sich in den Sand wühlten, wenn ich des Wegs kam, einige Angler und Vögel und hatte einen Schwatz mit einem ausgezeichneten Pfeifer, der im ACDC Shirt von seinen Surfereien erzählten. Lange graue Haare, Zopf, er sagte was von Mediziner und ich schätze ihn auf Mitte siebzig. Nein, gegen die Surfergemeinschaft kann ich nichts sagen. Nette, humorige und entspannte Leute, die gar nicht gleichgültig gegenüber den Menschen und der Natur scheinen.
Und dann war da noch das „Paint in“. Barbara, Robyns und mittlerweile meine Privatkunstlehrerin hatte eine Fahrt zu ihrer Tochter auf dem Lande organisiert. Sie hat dort ein grünes Holzhaus mit grossen Vogelgehegen, jungem Hund Jake, zwei wuscheligen Katzen und einem Mann, der nicht von meiner Seite rücken wollte. Sehr hübsch ist es dort, man merkt, sie lesen ihre aufgestapelten„Countryhome and Ideas“ Zeitschriften auch. Mittags wurden wir mit einem Eintopf und Brot versorgt, die in einem mit Holzkohle beheizten Loch drei Stunden gekocht wurden. Ich probierte meine neu erworbenen Aquarellfarben aus, die aber leider noch zentnerschwer auf meinem Papier liegen anstatt locker luftig, wie es sich gehört. Dafür ist nun mein Skizzenbuch wellig. Mit der Zeichnerei habe ich wirklich eine neue Leidenschaft entdeckt- nicht dass ich nicht schon die ein oder andere hätte- und ich bin begeistert von Carbon- und weichen Graphitbleistiften, vor allem aber von der Tinte und Conté crayons. Am meisten Spass macht es Leute zu zeichnen. Beim Malausflug waren wir zu zehnt, zahlten nur die zehn Dollar fürs Essen und jeder sass in irgendeinem Eckchen und nach einer Weile stellten wir die Skizzen und Kleinwerke vor. Meine Mitmaler sind meist im Rentenalter und mit viel Liebe am Werk. Ich werde zusehen, mehr über Karikaturen zu lernen. Es ist erstaunlich, wie anders ich die Dinge nun anschaue- auf Proportionen und Winkel, Biegungen und auch Bewegungen. Escher, O'Keefe, Rembrandt, Goya, Van Gogh und Hopper die Armen, dienen mir als Vorlage zu Detailkopien und ich sehe viel mehr, wie die Dinge gemacht sind und warum es so schwierig ist, genau diesen Stil zu malen. Ohne die Zeit, die ich mir hier genommen habe, hätte ich womöglich weiter an der Überzeugung festgehalten, dass ich im Kunstfach eher nutzlos bin. Mich auf einem Selbstporträt zu erkennen, war ein Schocker- liiiiiiiiii, das bin ja ich - wenn auch sehr verdriesslich.
Die Tage auf der kleinen Farm gehen ihren ruhigen Gang, meine fünf kleinen Küken Donald, Daisy, Tick, Trick und Track werden mächtig gross, die Hunde gehen mit mir mit wahrem Enthusiasmus laufen, ich hebe tiefe Löcher aus und freue mich, wenn meine Karotten, Frühlingszwiebeln und Kräuter so herrlich gedeihen. Wir brauchen fast nichts vom Supermarkt- ein bisschen Milch und Butter, Mehl fürs Brot und Limonade und Tee für Leo. Das Leben von den eigenen Erzeugnissen gefällt mir sehr und ich fühle mich fit und gesund bei soviel guter Nahrung. Fünf Wochen Bundaberg und kein schlechtes Leben!

1 Kommentar:

  1. Super. Läuft doch. Die Zeichnung ist wirklich Klasse. Unbedingt weiter üben. Neid aus dem Büro! Hab großen Reisemonat. Zypern, Lissabon, London. Wenn du Fotos sehen magst, schick ne mail dann schick ich den Picasa LInk. Gruss Sascha

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