Sonntag, 22. November 2009

Histolisches Update fuel alle






Es ist heiss. Wirklich, ehrlich. Da gibts vor allem den Pool, der erheitert und erfrischt, zumal wenn Sohn und Enkel von Sue und David zu Besuch kommen und sich sogar Jack Russell Fergus zu einem Leuteinswasserjagenundgegebenenfallsselbstnasswerden ueberreden laesst. Den Vogel abgeschossen hat allerdings Sally, eine chinesische "commerce"-Studentin, die wiederum eigentlich Meijue heisst und deren Englisch fast so heiter wie ihre Schwierigkeit mit der offensichtlich so ganz anderen Gesellschaft ist. David hatte sie als weniger brilliante, dafuer aber sehr nette Schuelerin im Unterricht und lud sie kurzerhand zum Sonntagsbrunch ein. Da war sie dann wohl froh, in mir eine weitere Auslaenderin zu treffen und als wir gemuetlich an unseren Eier nibbelten, warf sie flockig zur vollen Runde an mich gewandt ein: "Sele was wal in Gelmany. I do not know any of si histoly of sis. Can you tell me about si wal?". Nicht dass ich besondere Empfindlichkeiten zum Thema Deutschland und Nazis haette, was mir das Dotter im Halse stecken liess war vielmehr diese kuriose Idee, dass der zweite Weltkrieg das ideale smalltalk Einstiegsthema ist. Ich war fasziniert und konterte mit meinem brillianten Geschichtswissen: boeser Mann Hitler will die Welt regieren, das finden nicht alle andere Laender so wahnsinnig gut und bremsen ihn und die der Raserei verfallenen Deutschen ein wenig. Seither ist man bescheidener in Deutschland. Ob sie nun besser Bescheid weiss ueber si war? Nett war auch, wie sie in heller Verzweiflung ihren von uns Gesundheitsaposteln kredenzenten Karotten, Sellerie, Ingwer, Rote Beete Saft von einem Moebelstueck zum anderen manoevrierte. Trinken wollte sie das Gebraeu nicht, wie ich gleich ihrem entsetzten Gesicht entnehmen konnte. Die Arme, leicht hat sies nicht, in dieser wilden, fremden Kultur.
Ich hingegen kann nur wahre Lieder auf diesen Saft trinken. Er spendet Kraft und Freude und wir gehen hier durch Kilos an Moehrchen. Sehr, sehr gesund. So gut, dass mans gleich spuert.
Ich putze hier Silber, das dann leider nicht hinreichend glaenzt und fuehle mich ganz in deutschen Standards. Das ist immerhin gewohnt. Und gute Arbeit wird gelobt, ausserdem arbeiten wir hoechstens vier Stunden taeglich und haben dazu interessante Gesellschaft. Gestern fuhr ich im Boetchen nach Brisbane in die Kunstgalerie, was ich wunderbar entspannend fand. Ausserdem schaue ich ein klein wenig anders auf die Bilder und in die Welt seit ich selbst so gerne zeichne. Ein grosser Buchladen, billige Buntstifte und mein Herz lacht.
Da gibt es weiterhin diesen Job, lockere 26 Busstunden noerdlich von hier. Hier ist es, sorry, schweineheiss und ich will bloss noch in den Pool. Dabei sind wir noch nicht mal bei 40 Grad. Dort ist es nass, mit vielen Fliegen und um die fuenfzig Grad. Ich glaube, ich will diesen phantastischen Putz-Bar-Kuechenhilfsjob mit nahezu ausschliesslich dauerbesoffenem Publikum nicht. Noccundra hat gereicht. Einmal reicht fuer die Erfahrung. Ich muss mir auch nicht mehr beweisen, dass ich durchhalten kann in Bedingungen, die mir so gar nicht gefallen. Tiefer als zu den Tomaten muss ich nicht greifen. Mein selbstgemaltes Job Wanted! T- Shirt hat erste kleine Fruechte getragen. Auf dem Markt am Samstag wurde ich angesprochen, ob ich nicht einen Marktstand fuer einen Tag betreuen wollte. Schade, dass ich von dort nur mit einem Auto heimgekommen waere und das Angebot nicht annehmen konnte. Ich mag jedenfalls meine offensive Suche. Bin gespannt, was weiter passiert.
Und ha: meine Sklaventreiber haben gezahlt. 68,20 Dollar waren auf meinem Konto und ich triumphierte! Damit lebe ich als Wwoofer eine Woche. Mehr als ums Geld ging es mir aber darum, dass ich so fest der Ueberzeugung war, dass das laute Paar zwar nicht gerade zuckersuess, aber doch irgendwie fair ist und eben die Arbeiter bezahlt. Ich habe meine Formulare ausgefuellt und es wurde genau notiert, was wer pflueckte. Damit ist mein Vertrauen in mein Einschaetzungsvermoegen wieder hergestellt. Das ist wichtiger als die paar Kroeten.
Und da ist noch ein Gedanke. David arbeitet als TESOL Lehrer, das ist ein Lehrer fuer Englisch fuer Nichtenglischsprachler. Um das machen zu koennen, gilt es ein Zertifikat zu erwerben. Er hat dafuer einen vierwoechigen Kurs absolviert und 3000 Dollar bezahlt. Nun ist er als Springer an der Uni beschaeftigt, er koennte aber auch nach China oder Japan reisen, nach Thailand oder in die Emirate. Mittlerweile kann man dieses Zertifikat ab 150 Dollar mit einem 50 Stundenkurs online erwerben. Ob das wohl was fuer mich waere? Ich grueble. Lehrer im reichen Ausland wuerde bedeuten, ich wuerde das Geldspiel spielen. Bis dato nicht mein Ding. Ob mir das Spass machen wuerde? Ich denke noch ein Weilchen, ob das eine ernsthaft zu erwaegende Idee ist.

Donnerstag, 19. November 2009

Und nun mal schick



Nein, hier werden wir nicht immer mit „Dal“ (für Darling) gerufen, wie es Janine so charmant getan hat. Hier bläst sozusagen ein anderer Wind. Bei Sue und David Gough hat alles seinen Platz, nicht aber Schmutz und Staub und Chaos. Ein ziemlich schickes Haus, ein ausgesprochen sortierter Garten, nicht allzu viel Platz fürs Gemüse, aber doch einige Kräuter. Wir wurden vom verschmitzten,vollbärtigen David in Indooroopilly, einem Vorort von Brisbane abgeholt und hierher chauffiert. Sue hatte eines ihrer recht schicken Dinner in ihrer schicken Küche gekocht und wir plauderten launig. Arbeit ist ebenfalls recht klar, überanstrengen müssen wir uns aber sicher nicht. Mein Zimmer ist sozusagen romantisch, mit einer Blumentapete, ein paar Büchern und ein paar kleinen Gemälden. Beide mögen sie Kunst, kennen Künstler und Autoren. Fasziniert und vollständig glücklich bin ich in der Bibliothek, einem Durchgangszimmer mit Regalen, in denen aber weder mehr Bücher noch breitere Interessen Platz gefunden haben. Aber das ist doch eine gewissen Offenheit für verschiedene Ideen erkennbar. Schwarzer Humor, Buecher, die auch mal quergehen und sowas wie kritische Distanz. Ihr Leben ist nicht ganz im bürgerlichen Rahmen, auch wenn ich anfangs den Eindruck hatte, dass es doch sehr dicht daran schrammt. Sue unterrichtet kreatives Schreiben, hält aber mir gegenueber noch hübsch geheim, was sie da genau unterrichtet. David unterrichtet Englisch und hat jahrelang in der Forstwirtschaft, da aber wohl eher in der Planung und am Schreibtisch gearbeitet. Er hat im Garten einen Baum, den man bis vor fünf Jahren nur aus Fossilien kannte. Ein paar mutige Wanderer aber stiegen in einen Bach und entdeckten ihn dort und mit ihm noch 36 weitere. Nun werden sie freilich eifrig gezüchtet, diese schräge Pinienart. Verschroben und doch sehr sympathisch. Wie übrigens auch die zehn verschiedenen Bambusse, die er hier anbaut und die teils weit höher als das Haus wuchsen. Die Dinger sind offiziell Gräser und machen im Wind mehr als seltsame Schabegeräusche. Sue fällt nahezu in Ohnmacht, wenn sie sieht, wie ich durch den Garten pflüge. Was ich in drei Stunden ab sechs Uhr früh geschafft habe, hätte einem koreanischen Wwoofer über eine Woche gekostet. Und da war noch nicht mal was umgegraben. Man ist entzückt. Vor allem von der deutschen Reinlichkeit- nur deutsche Wwoofer dürfen die Bücherregale abstauben. Ganz anders also wieder als bei Janine, wo es nun wirklich nicht um übertriebene Exaktheiten ging. Die hat hier gleich angerufen und gesagt, dass sie, Perrine und Pipo ganz viel an uns denken und uns alles erdenklich Gute wünschen. Rolf und Robyn riefen an und wollten natürlich auch Details. Wie lieb wir umsorgt werden. Dabei waren die Erfahrungen so unterschiedlich und doch haben wir uns sehr gut eingefunden. Das ist ein grosser Bonus von Leo: er passt sich gut an.
Wir haben in der Zeitung einen Kochjob im Outback in der Nähe von Mt Isa gefunden, das ist lässige 26 Stunden Busfahrt nordwestlich von hier. Dort hat es fünfzig Grad und grässliche Stechfliegen, die Gegend ist als Saufgegend bekannt. Ich will da nicht hin. Meine Outbackerfahrung reicht mir. Ich habe mich für Putzjobs beworben, auf einer Insel mit Unterkunft, bei einer Familie mit Kinderbetreuung, am Flughafen und für ein Hotel mit Küche. Putzen eher nachts bei ca. 20 Dollar Stundenlohn. Das wäre nicht übel und für einen Monat durchaus auszuhalten.
Ich habe weiter sehr gut gewirtschaftet und in vierzig Tagen 400 Dollar verbraucht. Dabei fühle ich mich durchaus reich. Ich lebe mit viel Platz in einem Haus mit vielen Büchern, Internet und Pool, ich habe herrliches, gesundes Essen und auf meine Initiative hin gar weiter frisch gepresste Gemüsesäfte. Ich darf mit Sue zum Yoga und dieser Tage geht’s nach Brisbane in die Kunstgalerie und die Bibliothek, die sie mit aufgebaut hat und am Samstag zu einem wohl recht bekannten Markt. Das für ein bisschen pflanzen, kochen, abspülen und Rasen mähen. Wen kümmerts, dass die Dinge nicht mir gehören, wenn ich sie doch nutzen kann? Besitz und Geld stehen in einem anderen Licht für mich. Trotzdem suche ich freilich einen Job.
Sue arbeitet als freischaffende Journalistin und geht zu Theateraufführungen. Sie hat als Eheberater gearbeitet und gibt ihren Schreibunterricht. Da sehe ich sehr viele Parallelen zu mir. Angefangen hat sie bei einer Zeitung als Sekretärin und ist ohne Studium in all das hineingerutscht. Kreatives Schreiben hat sie erst 2008 mit einem Master abgeschlossen. Und auch wenn sie ihren ersten und soweit ich weiss einzigen Roman für Erwachsene 2001 veröffentlicht hat, so sieht sie sich doch klar als Schriftstellerin. Wie viel hängt davon ab, wie man sich selbst sieht. Erfolg und Kraft schweben aber doch über diesem Haus. Klarheit, Aufgeräumtheit. Wie überall gibt es hier eine schwierige Familie mit Selbstmord, Depression, Einsamkeit und Zurückgewiesenwerden. An irgendwas laborieren wir eben alle. Sie sagt, sie habe eine Gefühl, dass ich nochmal ein Buch veröffentlichen würde. Das würde sehr gut passen. Sie fragt mich, wie ich ich geworden bin mit meinen wilden literarischen Interessen und meiner nahezu Gier nach Wissen. Ich weiss es nicht. Neugier und das Vermeiden von Langeweile ist mein Motor.
Ich bin wie immer beeindruckt, wie sehr ich Einblick in andere Leben, Schlafzimmer, Vergangenheiten und Interessen kriege. Mir werden ständig ganze Leben präsentiert und das Vertrauen geschenkt, dass ich niemanden ausraube, was beim Wwoofen nur zu einfach wäre. Die Menschen haben Vertrauen und wollen das Gute. Wwoofen ist netter Austausch und im Grunde wird man umsorgt und durchgefüttert. Ich merke, ich werde leichter. Ich habe ein bisschen Gewicht verloren und ich gewinne Zutrauen. Ich habe die Panik nicht, dass mir das Geld ausgeht, ich keinen Job habe, nicht mehr weiterkomme. Wenn ich meine Energien gut einsetze, kommen die guten Dinge konsequent meines Wegs, so scheint es. Muss mich schon bemühen und organisieren und für mich und uns einstehen, aber dann wird doch wieder alles.
Ich habe auch einen weiteren Wwoofingplatz für uns gefunden, weiter südlich in Mt Tamborine, einer Nationalparkgegend, die alle als wunderschön bezeichnen. Dort werden Gemüse gepackt und zu Märkten gekarrt, eingeweckt und Vorträge über gutes Essen und ein gutes Leben gehalten. Klingt sinnvoll und gut und die wollen uns auch in zirka einer Woche. Solange wollen uns aber David und Sue noch behalten.
Gute Dinge: nach ein bisschen Zinnober via Anrufen und einer SMS haben meine türkischen Sklaventreiber mir meine sauerst verdienten 68,20 Dollar überwiesen. Das klingt nicht so mächtig, bei zehn Dollar Ausgaben pro Tag bringt es mich aber eine Woche durch. Viel wichtiger ist aber, dass ich meinen Glauben behalten habe. Ich war überzeugt, dass sie hart sind und schlecht zahlen, aber dass sie eben am Ende zahlen. Das hat gedauert, ist nun aber passiert und ich bin glücklich. Und das natürlich umso mehr, weil wir heute laufen und im Pool schwimmen waren, ich gezeichnet und geschrieben habe und mich für Jobs beworben. Ein ausgewogener Tag.
Auf dem Bett liegt ein neuer Hund, der Jack Russell Fergus, der immer Gesellschaft mag, liebend gern mit seinen kleinen Zähnchen rauft und so gerne mit uns zusammen ist, dass er gar mit uns laufen ging, auch wenn ihn das an seine konditionellen Grenzen brachte.
Alles machbar -schreiben, lehren, unabhaengig sein- wenn man nur weiss, was man will. Ich hoffe, dem komme ich nah und naeher. Ich fühle mich jedenfalls rundum sehr wohl, sehr ausgeglichen, körperlich und geistig. Ist schon ziemlich viel. Ich sehe, aus welchen Bausteinchen andere Leute ein Leben bauen. Keine Hexerei und dem meinen in so vielem aehnlich.

Mittwoch, 18. November 2009

Anpassen und nicht verbiegen






Die verwunschene Kamera funktioniert wieder! In Bundaberg kam ich in eine kleine Plauderei mit einem älteren Ehepaar. John und Patricia sind im Ruhestand und erholen sich von ihren Zitrusfrüchten, die sie anbauten. Sie luden mich prompt zu sich auf einen Tee mit Scones, den kleinen englischen semmelartigen Süssdingern ein, ich durfte ihren wilden Dackel beim Fussballspielen bewundern und wir checkten die Kameralage im Netz. Ein paar wilde Warnungen über die vermeintliche Unreparierbarkeit später und die Ankündigung, dass eine Reparatur teurer als die ganze Kamera ist, sassen wir da mit Uhrmacherschraubenziehern und einem Fön zum Herausblasen des das Getriebe hemmenden Sandes. Ein bisschen rohe Gewalt, das Objektiv in die Kamera gedrückt, ein paar mal ordentlich geschüttelt und schon geht wieder alles. War ein netter kleiner Ausflug zu den beiden.

Nach wilden Zuneigungsbeteuerungen von Rolf und Robyn und dem Versprechen, von sich hören zu lassen, gings auf zu Anne, der Frau, zu der ich in der Noosagegend gehen wollte. Das war wieder mal... anders. Aber von vorn. Erst kam Robyns Familie mit vier Kindern zwischen zwei und zehn angerückt und ich war zum Kinderherumwerfer und Spassvogel umfunktioniert, was auch mal wieder lustig war. Am Bahnhof tauchte Leo einigermassen abgerissen auf und wollte am Freitag mit mir nach Cooroy fahren, wo mich Anne abholen sollte. Er war dort freilich nicht angemeldet und ich daher, unter anderem, etwas zögerlich. Dennoch fuhr er mit, dennoch wurden wir abgeholt, wenn Anne Leo auch nicht als Wwoofer annahm, ihn in der Waschküche einquartierte und er für sein Essen zahlen sollte. Das war in Ordnung. Etwas schräg war dann aber, dass ich meinen Rucksack in der Garage lassen sollte, anstatt ihn in meinem recht grossen Raum zu deponieren. Dann sassen wir auf der Veranda, blickten auf ihre Pferde und ihren Poolreiniger und hörten uns ein Lamento über die Knappheit ihrer Finanzen an und dass wir daher nur Scheibletten und billigen Toast essen könnten. Aber sie fuhr mit ihrem schicken Jeep zu ihrem zirka 200 m entfernten Briefkasten. Als ich Leo, der wirklich fix und fertig war, ein Sandwich in die Waschküche bringen wollte, rannte sie mir nach, das käme ja nun gar nicht in die Tüte, gegessen werde am Tisch. Am Abend gings zu ihrem Bruder, ein netter Klavierrestaurateur und -stimmer Ende siebzig. Ich hatte mein Skizzenbuch verlegt und war etwas in Sorge, was sie dazu brachte mich anzufahren, dass sie eine Verabredung einzuhalten habe und was mir denn einfiele, jetzt noch auf der Veranda nach meinem Buch zu schauen. Mir derartige Töne anzuhören, bin ich wohl ein bisschen zu alt und passe ein bisschen zu gut auf mein Wohlbefinden auf. Als ich am nächsten Morgen für Leo nach einem neuen Wwoofingplatz schaute, organisierte ich für uns beide. Ich rief Janine an, deren Eintrag im Wwoofingbuch wirklich sehr nett klang.
Ein Anruf zeigte, dass sie zwar schon zwei Wwoofer hatte, ein französisches Paar, aber wir waren dann doch gleich herzlich willkommen und sie holte uns direkt bei Anne ab. Die war ordentlich verstimmt, meinte, sie hätte im Gegenzug für ihre Gastfreundschaft gar nichts erhalten, so dass wir ihr fünf Dollar hinterliessen. Es fällt mir nicht ganz leicht, zu gehen und sozusagen meinen Mann zu stehen, wenn es mir nicht passt. Aber mir war klar, dass es dort einiges an Ärger geben würde. Anne war frustriert, hatte sie ihr Mann doch für eine Jüngere verlassen. Ich glaube, sie trank und es könnten auch noch andere Dinge im Spiel sein. Sie wollte jemanden, dem sie sagen kann, wo es lang geht und hören, wie schlecht die Welt ist. Beides funktioniert aber nun leider mit mir nicht so gut.
Bei Janine war es wieder ganz anders. Sie wohnt an einem Hang in einem sehr hübschen Haus mit viel Holz. Unter ihrem Haus grasen die Llamas, das Pferd und die Kuh, rennen die Hühner, Gänse und Enten herum. In ihrem Haus wuseln die sechs Hunde und abends taucht eine Katze auf. Es gibt frische Milch, die nach den glücklichen Zeiten mit meiner Oma auf dem Bauernhof schmeckt. Sie hat momentan Finanzsorgen, das heisst aber nicht, dass die Wwoofer hungern. Arbeit ist nicht recht geregelt wie bei Rolf und Robyn, wo wir eine tägliche Schicht von acht bis zwölf hatten. Hier wird ein bisschen nach gusto gewurschtelt. Ich bin mit einem festen Plan motivierter, ist mir doch eher klar, wann ich frei habe. Janine hat eine dunkle Kindheit hinter sich und knabbert noch daran. Sie ist eine spannende Person, die die Welt für einige Jahre bereist, als Lehrerin gearbeitet, Astrologie und Gestalttherapie studiert hat, wenn sie auch nicht an ersteres glaubt. Ausserdem zeichnet sie wunderbar und hat eine beachtliche Sammlung ihrer Werke. Sie hat mich auf grössere Formate und viel Spass mit Kugelschreibern gebracht. Unsere Arbeit war im Haushalt, aber wir waren auch mit kleinen Baujobs beschäftigt, befestigten Latten und reparierten den Hühnerstall, räumten auf, melkten Jetty, die Kuh und wässerten mit Eimerchen die vertrocknenden Bäumchen. Es ist wirklich sehr trocken hier, wir spülen das Klo mit Wasser aus einem künstlich angelegten Teich und duschen ist eher ein Abwaschen in ebendiesem Teich oder aber am Strand unter einer richtigen, kalten Dusche, die das Gefühl von wahrem Luxus vermittelt. Janine ist interessante, aber auch fordernde Gesellschaft. Momentan fühlt sie sich nicht im Stande zu arbeiten, vieles aus ihrer Vergangenheit überwältigt sie. Zudem hat sie das von Moskitos übertragene Rossfieber, das sie manchmal sehr müde werden und ihre Gelenke anschwellen lässt. Als wir einen ganzen Vormittag zusammensassen, um über Möglichkeiten an Geld zu kommen, zu sprechen, endete das in einer grossen Therapiesitzung. Perrine, die nette französische Wwooferin sass dabei und erzählte ebenfalls lang von ihrer verkorksten Kindheit. Puh, da frag ich mich, ob ich wirklich gern Therapeut wäre. Ich war nach drei Stunden vollständig durch den Wind und sehnte mich nach körperlicher Ertüchtigung. Das Kuhmelken bietet das ausreichend, bin ich doch mit meinem Metalleimerchen emsig beschäftigt, Jetty mit ruhigem Zureden und Streicheln, Heu und Futter bei Laune zu halten. Wenn es ihr passt, spaziert sie weiter und das mit Vorliebe in meinen Eimer, den ich dann schnell unter ihr wegziehen muss. Ausserdem drohen Krämpfe in Beinen beim Niederhocken und in den Händen vom Melken. Macht trotzdem Spass. Dann noch ein paar Zecken aus ihrem Fell gezogen und alles ist gut. Die Llamas und das Pferd kriegen ihr Heu, die Hühner ihr Futter und Wasser und die Tiersitzung ist beendet. Vollständig hingerissen bin ich von den drei kleinen graubraunen Windhunden Dios, Bosa und Aria. Sie haben gleich Katzen ihren eigenen Kopf, sind keine winzigen Schosshündchen, aber sicher nicht monströs und einfach herzig und sehr streichelbedürftig. So einen hätte ich wirklich zu gerne.
Rolf und Robyn kamen zu Besuch, da sie auf dem Weg gen Süden waren und brachten Bananen vorbei. Rolf benahm sich ziemlich daneben, trat in Janines Haus ein und tat gleich lautstark kund, dass ihm ihre Zeichnungen nicht gefallen. Dann sagte er auch gleich, dass ihm die Aubergine auf seinem Sandwich nicht passt und Janine reagierte einigermassen gereizt. Ich fühlte mich zwischen den Stühlen. Einerseits kann ich nichts dafür, wie er sich verhält, andererseits habe ich ihn sozusagen eingeladen. Und da nun Janine momentan nicht ganz auf der Höhe ist, nahm sie das für den kompletten nächsten Tag so mit, dass wir, wenn wir sie überhaupt sahen, sie sehr, sehr schlechter Dinge war. Da stelle ich wieder mal fest, wieviel Sensiblität es doch braucht, wenn man durchs Wwoofen für eine Weile ins Leben anderer Leute einsteigt. Die Anpassung, die bei Rolf und Robyn gut klappte, ist hier eine ganz andere. Kein wildes Christentum, kein geregelter Tag, Hunde im Bett und ein ganz anderer Umgang. Sie kennt und mag Kunst und klassische Musik und die Gespräche gehen eher darüber und nicht über den Glauben oder gesunde Ernährung. Janine mag bunte Farben und flucht schon mal. Wir waren in einem alternativen indischen Cafe und hörten Klarinette und Trommel, was auch mal eine nette Abwechslung war. Janine fühlte sich inspiriert durch unsere abendlichen Zweierunterhaltungen und meinte, ich könnte sie wohl wieder auf den Pfad bringen, so dass sie ihr Leben wieder richtig im Griff hätte. Ich hätte es sogar geschafft, sie zum Brettspielen zu motivieren, das sei ihr vorher nie passiert, das sei eine wahre Gabe. Ich schmunzelte und freute mich. Sie ist gelangweilt- keine Kunst, keine allzu spannenden Leute in der Umgebung. Nur die Wwoofer und die sind so bald wieder fort.
Ich war begeistert davon, selbst Joghurt und Butter mit der frischen Kuhmilch zu machen. Beides schmeckte wunderbar, viel besser als aus dem Laden, wo man fuer 500g Joghurt schon mal fuenf Dollar hinblaettert. Ueberhaupt hat dieses Bioleben nachhaltige Auswirkungen auf mich. Wie lecker ist das Essen und wie schoen ist es, eigene Dinge anzubauen und zu ernten. Ich habe wirklich einen ganz anderen Bezug zu meiner Nahrung. Da denke ich auch wieder daran, wie gut doch das Wwoofen ist: ich fuehle mich richtig reich. Ich lebe in spannenden Umgebungen mit allerlei interessanten Leuten, esse bestes Essen und zahle mit ein paar Stuendchen Garten- oder Hausarbeit. Ne, da kann ich nicht meckern. Man darf halt nicht zu heikel und etepetete sein, sonst ist es schwierig, zwischen die Kakerlaken zu kriechen, Schlangen in der Garage zu treffen und auch mal ein nicht ganz so wunderbares Mittagessen zu verschmausen- wenn das auch extrem selten ist. Im Gegenteil nehme ich haufenweise Inspiration fuer neues Essen mit. Seit der Zeit in Bundaberg bin ich vollstaendig ueberzeugt, dass rohe Mahlzeiten ausgezeichnet sind. Lecker, gesund und gut zuzubereiten. Mit den richtigen Sossen und Kombinationen und vor allem mit Gemuesesaeften huepfe ich durch den Tag vor Energie. Und nebenher koennte ich gar noch ein bisschen leichter werden, was ja nun auch kein Schaden waere. Mehr davon! Ich will auch eine Kuh und Huehner und Windhunde!
Am 12., Leos Geburtstag, wurden wir ins schicke Noosa chauffiert, wo sie händeringend Köche suchen. In einem sehr versnobbten italienischen Restaurant gingen wir zu einem eisekalten Jobinterview. Leo reizte der Job, doch redete ich ihm zu, sich nicht wieder in eine solche Hölle zu begeben, mit der er wirklich nicht gut umgehen kann und Geld und Gesundheit riskiert. Der Strand in Noosa ist wunderbar, das Meer klar und die Wellen ein echtes Vergnügen, wenn auch leider zu klein zum ordentlichen Surfen an diesem Tag.
Meine türkischen Tomatensklaventreiber haben nicht gezahlt, was mich richtig ärgert. Nie habe ich ein paar Kröten härter verdient und nun werden sie mir nicht mal überwiesen. Abhilfestrategien bis dato: ein Anruf und eine SMS mit der Drohung mit Rechten, aber vor allem den Freunden, die sie besuchen kämen und meiner Rückkehr. So richtig viel lässt sich wohl nicht machen.
Beim Blättern durch Selbsthilfebücher und Astroweisheiten kam mir die Idee zu einem Selbsthilfebuch der humorigen und unesoterischen Sorte. Ein wachsender Markt, auch wenn der Buchmarkt allgemein momentan ein wenig leidet. Ich grüble und konstruiere. Man wird sehen.
Nach der Woche bei Janine ging es wie so oft ans Ausmisten. Oh Wunder- mein Problem ist meine Bibliothek, die momentan aus 22 Büchern besteht, Reiseführer und Wwoofingbuch eingeschlossen. Meine Klamotten halte ich im Zaum, jedes zerfallende T-Shirt- und das geht schnell, bei soviel Tragen, körperlicher Arbeit und Sonne- wird durch ein neues im Op-Shop ersetzt. Gestern liess ich mich gar zu einem Sommerkleid hinreissen, das allgemeinen Anklang fand und unglaublich luftig ist. Was für ein Vergnügen bei dieser unfassbaren Hitze von 36 Grad im Schatten. Miste ich daheim alle paar Monate aus, wird das hier zur Routine und meine Einstellung zu Dingen ändert sich sukzessive. Netter Schnickschnack muss wirklich winzig sein, um weiter mitgeschleppt zu werden. Meine echte Neuseelandpauamuschel, Blossom the Powerpuff und das wars dann. Bücher werden gelesen und weitergegeben, getauscht oder mit der warmen Jacke heimgeschickt. Die Dinge halten mich nicht zurück, so wie ich es befürchtet habe, bevor ich auf Reisen ging. Und es findet sich doch immer wieder alles Nötige und noch viel mehr in den Häusern unserer Gastgeber.
Am Montag ging es weiter gen Brisbane zu David und Sue. Darauf freute ich mich sehr. Ich erwartete eine organisierte, tendenziell schickere Umgebung und warmherzige Leute. Und genau das habe ich auch vorgefunden. Mehr dazu in der nächsten Soapfolge!