Donnerstag, 19. November 2009

Und nun mal schick



Nein, hier werden wir nicht immer mit „Dal“ (für Darling) gerufen, wie es Janine so charmant getan hat. Hier bläst sozusagen ein anderer Wind. Bei Sue und David Gough hat alles seinen Platz, nicht aber Schmutz und Staub und Chaos. Ein ziemlich schickes Haus, ein ausgesprochen sortierter Garten, nicht allzu viel Platz fürs Gemüse, aber doch einige Kräuter. Wir wurden vom verschmitzten,vollbärtigen David in Indooroopilly, einem Vorort von Brisbane abgeholt und hierher chauffiert. Sue hatte eines ihrer recht schicken Dinner in ihrer schicken Küche gekocht und wir plauderten launig. Arbeit ist ebenfalls recht klar, überanstrengen müssen wir uns aber sicher nicht. Mein Zimmer ist sozusagen romantisch, mit einer Blumentapete, ein paar Büchern und ein paar kleinen Gemälden. Beide mögen sie Kunst, kennen Künstler und Autoren. Fasziniert und vollständig glücklich bin ich in der Bibliothek, einem Durchgangszimmer mit Regalen, in denen aber weder mehr Bücher noch breitere Interessen Platz gefunden haben. Aber das ist doch eine gewissen Offenheit für verschiedene Ideen erkennbar. Schwarzer Humor, Buecher, die auch mal quergehen und sowas wie kritische Distanz. Ihr Leben ist nicht ganz im bürgerlichen Rahmen, auch wenn ich anfangs den Eindruck hatte, dass es doch sehr dicht daran schrammt. Sue unterrichtet kreatives Schreiben, hält aber mir gegenueber noch hübsch geheim, was sie da genau unterrichtet. David unterrichtet Englisch und hat jahrelang in der Forstwirtschaft, da aber wohl eher in der Planung und am Schreibtisch gearbeitet. Er hat im Garten einen Baum, den man bis vor fünf Jahren nur aus Fossilien kannte. Ein paar mutige Wanderer aber stiegen in einen Bach und entdeckten ihn dort und mit ihm noch 36 weitere. Nun werden sie freilich eifrig gezüchtet, diese schräge Pinienart. Verschroben und doch sehr sympathisch. Wie übrigens auch die zehn verschiedenen Bambusse, die er hier anbaut und die teils weit höher als das Haus wuchsen. Die Dinger sind offiziell Gräser und machen im Wind mehr als seltsame Schabegeräusche. Sue fällt nahezu in Ohnmacht, wenn sie sieht, wie ich durch den Garten pflüge. Was ich in drei Stunden ab sechs Uhr früh geschafft habe, hätte einem koreanischen Wwoofer über eine Woche gekostet. Und da war noch nicht mal was umgegraben. Man ist entzückt. Vor allem von der deutschen Reinlichkeit- nur deutsche Wwoofer dürfen die Bücherregale abstauben. Ganz anders also wieder als bei Janine, wo es nun wirklich nicht um übertriebene Exaktheiten ging. Die hat hier gleich angerufen und gesagt, dass sie, Perrine und Pipo ganz viel an uns denken und uns alles erdenklich Gute wünschen. Rolf und Robyn riefen an und wollten natürlich auch Details. Wie lieb wir umsorgt werden. Dabei waren die Erfahrungen so unterschiedlich und doch haben wir uns sehr gut eingefunden. Das ist ein grosser Bonus von Leo: er passt sich gut an.
Wir haben in der Zeitung einen Kochjob im Outback in der Nähe von Mt Isa gefunden, das ist lässige 26 Stunden Busfahrt nordwestlich von hier. Dort hat es fünfzig Grad und grässliche Stechfliegen, die Gegend ist als Saufgegend bekannt. Ich will da nicht hin. Meine Outbackerfahrung reicht mir. Ich habe mich für Putzjobs beworben, auf einer Insel mit Unterkunft, bei einer Familie mit Kinderbetreuung, am Flughafen und für ein Hotel mit Küche. Putzen eher nachts bei ca. 20 Dollar Stundenlohn. Das wäre nicht übel und für einen Monat durchaus auszuhalten.
Ich habe weiter sehr gut gewirtschaftet und in vierzig Tagen 400 Dollar verbraucht. Dabei fühle ich mich durchaus reich. Ich lebe mit viel Platz in einem Haus mit vielen Büchern, Internet und Pool, ich habe herrliches, gesundes Essen und auf meine Initiative hin gar weiter frisch gepresste Gemüsesäfte. Ich darf mit Sue zum Yoga und dieser Tage geht’s nach Brisbane in die Kunstgalerie und die Bibliothek, die sie mit aufgebaut hat und am Samstag zu einem wohl recht bekannten Markt. Das für ein bisschen pflanzen, kochen, abspülen und Rasen mähen. Wen kümmerts, dass die Dinge nicht mir gehören, wenn ich sie doch nutzen kann? Besitz und Geld stehen in einem anderen Licht für mich. Trotzdem suche ich freilich einen Job.
Sue arbeitet als freischaffende Journalistin und geht zu Theateraufführungen. Sie hat als Eheberater gearbeitet und gibt ihren Schreibunterricht. Da sehe ich sehr viele Parallelen zu mir. Angefangen hat sie bei einer Zeitung als Sekretärin und ist ohne Studium in all das hineingerutscht. Kreatives Schreiben hat sie erst 2008 mit einem Master abgeschlossen. Und auch wenn sie ihren ersten und soweit ich weiss einzigen Roman für Erwachsene 2001 veröffentlicht hat, so sieht sie sich doch klar als Schriftstellerin. Wie viel hängt davon ab, wie man sich selbst sieht. Erfolg und Kraft schweben aber doch über diesem Haus. Klarheit, Aufgeräumtheit. Wie überall gibt es hier eine schwierige Familie mit Selbstmord, Depression, Einsamkeit und Zurückgewiesenwerden. An irgendwas laborieren wir eben alle. Sie sagt, sie habe eine Gefühl, dass ich nochmal ein Buch veröffentlichen würde. Das würde sehr gut passen. Sie fragt mich, wie ich ich geworden bin mit meinen wilden literarischen Interessen und meiner nahezu Gier nach Wissen. Ich weiss es nicht. Neugier und das Vermeiden von Langeweile ist mein Motor.
Ich bin wie immer beeindruckt, wie sehr ich Einblick in andere Leben, Schlafzimmer, Vergangenheiten und Interessen kriege. Mir werden ständig ganze Leben präsentiert und das Vertrauen geschenkt, dass ich niemanden ausraube, was beim Wwoofen nur zu einfach wäre. Die Menschen haben Vertrauen und wollen das Gute. Wwoofen ist netter Austausch und im Grunde wird man umsorgt und durchgefüttert. Ich merke, ich werde leichter. Ich habe ein bisschen Gewicht verloren und ich gewinne Zutrauen. Ich habe die Panik nicht, dass mir das Geld ausgeht, ich keinen Job habe, nicht mehr weiterkomme. Wenn ich meine Energien gut einsetze, kommen die guten Dinge konsequent meines Wegs, so scheint es. Muss mich schon bemühen und organisieren und für mich und uns einstehen, aber dann wird doch wieder alles.
Ich habe auch einen weiteren Wwoofingplatz für uns gefunden, weiter südlich in Mt Tamborine, einer Nationalparkgegend, die alle als wunderschön bezeichnen. Dort werden Gemüse gepackt und zu Märkten gekarrt, eingeweckt und Vorträge über gutes Essen und ein gutes Leben gehalten. Klingt sinnvoll und gut und die wollen uns auch in zirka einer Woche. Solange wollen uns aber David und Sue noch behalten.
Gute Dinge: nach ein bisschen Zinnober via Anrufen und einer SMS haben meine türkischen Sklaventreiber mir meine sauerst verdienten 68,20 Dollar überwiesen. Das klingt nicht so mächtig, bei zehn Dollar Ausgaben pro Tag bringt es mich aber eine Woche durch. Viel wichtiger ist aber, dass ich meinen Glauben behalten habe. Ich war überzeugt, dass sie hart sind und schlecht zahlen, aber dass sie eben am Ende zahlen. Das hat gedauert, ist nun aber passiert und ich bin glücklich. Und das natürlich umso mehr, weil wir heute laufen und im Pool schwimmen waren, ich gezeichnet und geschrieben habe und mich für Jobs beworben. Ein ausgewogener Tag.
Auf dem Bett liegt ein neuer Hund, der Jack Russell Fergus, der immer Gesellschaft mag, liebend gern mit seinen kleinen Zähnchen rauft und so gerne mit uns zusammen ist, dass er gar mit uns laufen ging, auch wenn ihn das an seine konditionellen Grenzen brachte.
Alles machbar -schreiben, lehren, unabhaengig sein- wenn man nur weiss, was man will. Ich hoffe, dem komme ich nah und naeher. Ich fühle mich jedenfalls rundum sehr wohl, sehr ausgeglichen, körperlich und geistig. Ist schon ziemlich viel. Ich sehe, aus welchen Bausteinchen andere Leute ein Leben bauen. Keine Hexerei und dem meinen in so vielem aehnlich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen