Mittwoch, 24. März 2010

Immer locker weiter



Gottlob, ich habe meinen Computer wieder. Ohne Bildschirm und Tastatur scheint mir das Schreiben fast eine Unmoeglichkeit. Da laesst sich nix locker hinschreiben und aendern, keine Paragraphen verschieben – wie haben die Menschen frueher nur schreibgedacht? Ein vollbaertiger Computergeek namens James kam auf Anruf ins Haus, konstatierte, dass einfach D, eine Partition der Festplatte (solche Beschreibungen sind eine ausgezeichnete Gelegenheit, mich zu blamieren...) einfach verschwunden ist und kreierte sie irgendwie neu. Warum sowas verschwindet, weiss ich immer noch nicht. Ein Virus wars jedenfalls nicht. Vielleicht sollte ich doch einen wartungsaermeren Apple haben bzw. mir einen in Thailand kaufen. Von meinen freundlichen Plaudereien offenbar geschmeichelt hat er sechzig Dollar verlangt, was schwer in Ordnung war.

Auf einem Fremdcomputer jedenfalls habe ich eine Indienzugfahrt beschrieben und in der von mir frisch besuchten hiesigen Schreibergruppe gar Applaus dafuer gekriegt. Denen hatte ich mich frisch angeschlossen, weil ich mich zum Schreiben zwingen wollte. Ich war stolz und ermutigt, an meinen Reiseerfahrungen weiter zu feilen. Beim Zusammenkopieren meines Blogs kam ich auf 165 Seiten – wildes Rohmaterial gibt es also durchaus in einigen Mengen. Ich kann das, aber ich habs bis jetzt einfach nicht gemacht...

Ich verbringe freilich viel Zeit mit Planung fuer meinen Trip nach Suedostasien. Da huepfen die Orangutans durch die Baeume und ich wuerde ihnen das Leben gern als Freiwilliger verschoenern oder dramatischer teils gar retten. Da wir soviel Palmoel konsumieren, wird der natuerliche Lebensraum der Armen gerodet und Plantagen angebaut. Also keine Palmoelprodukte kaufen!
Ich will surfen in Bali, ein wenig Yoga treiben und buddhistischen Moenchen Englisch beizubringen scheint mir immer noch sehr erstrebenswert. Ernsthafte Dschungelwanderungen und 4000er warten dort und tauchen muss hinreissend sein. Und freilich boete sich das Kayakfahren an. Also eben mal eine Reiseroute gebastelt, die so verlockend fuer mich ist, dass ich nicht weiter ueber meinen Hoteljob nachdenken muss.

Nach der mit einem Staubsaugerkabel gekoepften Vase vor einem Monat habe ich diese Woche einen kleinen Weihnachtsbaum ueber den Haufen gefahren. Steht auch sehr unguenstig und die kleinen Kugeln kullerten ueber den Boden. In Windeseile versuchte ich sie wieder aufzuhaengen, aber die kleinen Haken schienen weitgehend verschwunden. So hatte ich neun Kugeln und konnte sie nicht unauffaellig haengen. Ich gestand der Chefin das Malheur, sie mahnte zu mehr Achtsamkeit und half Haken suchen, wobei wir nur drei fanden und ich somit die restlichen sechs Kugeln dezent verschwinden liess. Selbige haengen mir nun am Gewissen.

Herman, der hollaendische Chef hat sein fluchendes Temperament nun einmal gegen mich gewendet und mir ist die Laune vergangen. Wer es nicht schafft, zu allen Menschen, unangesehen ihrer Stellung gleich freundlich zu sein, ist kein wirklich netter Mensch. Da schreit er mit rotem Kopf durch die Kueche, dass er immer ander Leute Dinge reparieren muss an mich, die nun den dritten Monat nichts anderes macht als ander Leute Dreck zu beseitigen. Und dieses zuegellose Ausrasten gepaart damit, dass er immer recht hat, auch wenn sich Widersprueche zeigen, geht mir doch schwer gegen den Strich. Wer immer recht hat, hat beschlossen, nicht mehr zu lernen und verpasst damit das Wichtigste, das menschliche Weiterwachsen. Abgesehen von der Chefin hat er sich nun bei allen im Haus unbeliebt gemacht. Und ich war frueher nur gnaediger, weil ich nie Ziel seines Ausrastens war. Muss mein Urteilsvermoegen doch mal in einer ruhigen Stunde auf Objektivitaet befragen.

Ich brauche mittlerweile sehr viel Motivation, um taeglich zur Arbeit zu gehen. Die Raeume, die Teller, auch das Bedienen sind sicher alles keine intellektuellen Herausforderungen mehr und mir ist recht fad in dem Job. Ich bin teils ganz gluecklich, wenn ich einfach nur friedlich vor mich hindenken kann, aber mit all diesen graesslichen Chemieputzmitteln ist all das doch nicht allzu erspriesslich. Nebenher lese ich ein Buch mit dem Titel „Dirt Cheap“, in dem eine Journalistin auszieht, ein Jahr in schlechtbezahlten unqualifizierten Jobs zu arbeiten. Man ist doch letztlich ein Nichts und Niemand, wenn man so weit unten steht. Ich bewundere meine Kollegen, die seit Jahren Zimmer putzen ohne Aussicht auf Aenderung. Teils ist es selbstgewaehlt, aber das heisst nicht, dass es weniger hart ist. Und ein Leben mit einem besseren Gehalt und mehr Ansehen kann zu einem ganz aehnlichen Hamsterrad verkommen. Einzige Ausstiegsmoeglichkeit ist, erst menschlich und dann finanziell unabhaengig zu werden. An beidem beisse ich momentan. Sparen, nachdenken, besser werden. Und mich bloss nicht damit identifizieren, was ich zu einem bestimmten Zeitpunkt tue. Ich bin ein human being, kein human doing, jawoll!

Von Elizabeth und Vaughn bin ich nun zu Trinity, meiner lieben Bibliothekarin gezogen. Sie ist 48 und munter wie ein Teenager. Ich muss mir bestaendig wieder ihr Alter vorsagen, um es zu glauben. Sie beherbergt in ihrer Liebenswuerdigkeit nicht nur mich, sondern auch Austin, den amerikanischen Zeugen Jehova, der aus unserer Sicht ein wenig den Plot verloren hat, den er meiner Meinung nach nie hatte. Die Kueche ein Chaos, meine drei Liter Milch getrunken und trotz Versprechen nie ersetzt, Dauerfernsehen und keine Energie zu arbeiten- Austin war da! Trini will mich in ein Erziehungsprogramm einspannen, ich glaube eher, dass er selber seinen Weg wird machen muessen, auch wenn das nicht einfach sein mag, ist es vermutlich doch der einzig moegliche Weg. Seit heute haben wir auch zwei zahlende Mitbewohner, er ein Gaertner und Computergeek, sie eine Kuenstlerin. Es verspricht spannend zu bleiben.

Mit Austin steht mir wieder einmal ein Prachtexemplar von einem energielosen Fernsehgucker vor der Nase. Immer den Kasten an und nichts mit sich anfangen wissen, Junk Food essen und im Grunde am Leben verzweifeln, das aber hinter lustigen Computerspielen und vielen High Fives verstecken. Ja, das klingt nach Urteil. Ich sehe es eher als Beobachtung. Menschen, die sich in eine Schleife begeben, in der sie immer weniger Energie haben und einfach nur ungluecklich sind. Und dabei machen das doch alle...

Ich vermisse Leo, auch wenn ich mir bestaendig wiederhole, dass ich doch so einige Probleme mit der Trinkerei und der damit verbundenen mangelnden Geradlinigkeit und dem schwaechelnden Fokus und Durchhaltevermoegen hatte. Ich werde mich hoffentlich live von ihm in Bundaberg nach Ostern verabschieden, wo ich meine kreationistischen Wwoofingeltern Rolf und Robyn besuchen werde.

Ich lese viel, ich denke viel nach und ich frage mich, wie mich diese Reise veraendert hat:
Das Wichtigste fuer mich ist, dass ich mir gestanden habe, Erlebnispaedagoge sein zu wollen. Es hat dreissig Jahre gedauert und ich habe viele verschiedene Dinge lernen und testen muessen, aber das fuehlt sich nun richtig an. Ich brauchte die Zeit und den Abstand, um da Klarheit zu kriegen. Ich habe experimentiert und gelernt und vor allem habe ich unerschrocken weitergemacht. Wilde Jobs und Laender, drohender Geldmangel, Mangenverrenkungen und Einsamkeit. So eine Reise spiegelt doch sehr gut ein ganzes Leben und ich habe meinen ganz eigenen Reisestil gefunden. Ich habe die Menschen noch weit mehr lieben gelernt und fuehle mich unendlich zuversichtlich, dass alles gut bleibt und wird. Ich habe mich von Materiellem getrennt und mir ist klar geworden, dass das Leben eine Reise ist, auch wenn wir manchmal an einem Ort stehenzubleiben scheinen und gar nicht merken, wie wir uns doch immer ein klein wenig fortbewegen und weiterlernen. Ich werde wehmuetig, wenn ich daran denke, dass ich nun bald ein Kapitel meines Lebens beende. Dann aber wiederum weiss ich, dass das sowieso staendig so ist. Die Show muss weitergehen und kann auch gar nicht anders. Ich werde immer reisen, immer auf meine eigene Weise. Auch wenn ich fuer eine Weile an einem Ort bleiben sollte.

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