Donnerstag, 28. Januar 2010

Overland Track











Ui, das ist jetzt ein bisschen viel. Ich komme aus dem Busch gestolpert und glaube zu wissen, was weiter so ungefaehr passieren wird. Ich werde Lyn und Phil wiedertreffen und mit ihnen durch Tasmanien gondeln und dann werde ich nach einem Abstecher in Melbourne zu meinem Job zurueckkehren. Nein, so kommt es nun nicht. Lyn und Phil sind mit Freunden auf einer Yacht unterwegs und mein Job wird von einem Koch besetzt, der auf einmal angeschneit kam. Aber man koenne mir moeglicherweise 20 Wochenstunden geben. Ach. Ade, finanzielle Sicherheit und zurueck zum engagierten Sparen, das ich sowieso nie aus den Augen liess. Ausserdem gab es in Hobart Rettung. Jo, eine Couchsurfergastgeberin hat mich gleich ganz lieb aufgenommen und waehrend sie in einem Laden fuer Autoteile schuftet, sitze ich an ihrem Heimcomputer und organisiere um.

Was aber hat sich auf dem vielgepriesenen Overland Track ereignet, mag sich der interessierte Leser fragen. Es schuettete als ich mit dem Bus an meinem Anfangsvisitorcentre ankam. Da kam es sehr gelegen, dass in der Naehe ein Tasmanian Devil Sanctuary ist und ich doch nach Tasmanien gekommen bin, um mindestens einen Teufel zu sehen. So konnte ich den kleinen ueberaus flauschigen Tierchen sogar eine Streicheleinheit am Hintern verpassen, die sie sichtlich unberuehrt liess. Die Kerls leben allein, von einem Wurf mit haufenweise winzigen Teufeln ueberleben nur vier und die haengen an der Mutter so lange bis sie schliesslich deren Futter wegfressen. Menschen haben Teufel noch nie angefallen und daher ist der Name auch recht eigentuemlich fuer die wirklich niedlichen Tiere. Sanctuaries wurden in Tasmanien eingerichtet, da die Tiere an einem Gesichtstumor leiden, der gleich 70 bis 80 Prozent der gesamten tasmanischen Teufelbevoelkerung ausradiert hat. Nur an der suedlichen Westkueste gibt es noch einen gesunden Genpool und man hofft, dass das auch so bleibt, indem eine geplante Strasse dorthin nicht gebaut wird.

Nach den Schuettereien bei den Teufeln wurde es gleich bedeutend besser, ganz wie ich es geplant hatte und ich darf auch gleich verraten, dass sich daran bis zum Ende meiner Wanderung nichts geaendert hat. Bestaendig erzaehlte ich anderen Wanderern, dass ich eine Verabredung mit dem Wetter habe und sie taten wirklich gut daran, sich an mich zu halten.

Ach, der Trip war nett. Die Huetten hatten zwar keine Matratzen, aber so hatte ich wieder mal Gelegenheit, Loblieder auf meinen Schlafsack und vor allem auf meine Thermarestmatte singen zu koennen, die uebrigens sehr beliebt bei allen Wanderern zu sein scheint. Es gab viel zu sehen und auch immer wieder interessante Gesellschaft, starten doch taeglich 34 Personen auf dem Track, der in Listen der weltweiten Toptracks oft unter die ersten fuenf kommt. Ist verstaendlich. Der Pfad ist klar erkennbar, man stolpert mehr ueber Holzplanken als Felsen und die Landschaft ist abwechslungsreich. Uebertriebene Fitness braucht man nicht und so hatte ich auch genug Zeit, morgens noch ein wenig in der Huette herumzuplaudern anstatt wie auf Stewart Island gleich beim ersten Tagesdaemmer noch mit Taschenlampe loszurennen, um es unbedingt noch durch den Matt bis zur Huette am Abend zu schaffen. Das war ein anderes Kaliber. Als ich noch jung war ;).

Ich wollte die Zeit zur intensiven Besinnung ueber weitere Lebensplaene nutzen, ertappte mich aber dann doch viel mehr bei der Rueckschau auf mein bisheriges Leben, das ich vor allem Lucas erzaehlt, einem 27-jaehrigen Kanadier, der als cabinetmaker durch die Welt reist. Lucas trinkt gerne und viel, wie er frei gesteht. Im frei gestehen ist er ueberhaupt gut, ein netter, gerader und humoriger Typ, mit dem ich mich herrlich ueber einen deutschen Studenten amuesieren konnte. Robert, der Deutsche, hatte jedes Graemmchen abgewogen und guckte mit seinem mitgebrachten deutschen Kartoffelbrei doch immer sehr hungrig auf unsere reichen Maehler mit selbstgebrauten Suppen, Fisch und frischem Gemuese.

Derart gestaerkt schlugen wir uns durchs Gebuesch auf weniger ausgetrampelten Pfaden. Aber wir waren trotzdem sehr vorsichtig. Nicht nur, weil wir mehreren Giftschlangen begegneten und Lucas gar versehentlich auf eine trat, sondern auch, weil ueberall cushion plants wachsen, die sich von einem Stiefelabdruck erst nach durchschnittlich dreissig Jahren erholen. Sieht kuschelig aus, so eine Pflanze, mit vielen kleinen Pflanzen, ist aber dann doch sehr kratzig, wie ich vorsichtig mit einem Finger austestete. Ansonsten waechst ueberall das buttongrass, ein hohes Gras, das auf Feuer angewiesen, um immer wieder abzubrennen und neu zu sprossen. Auch die Eukalyptusbaeume moegen Feuer, eine Theorie ist, dass sie die Rinde abwerfen, um Feuer zu ermutigen.

An all die Menschen gewoehnt kamen kleine Wallabies, sogenannte pandemelons und igelaehnliche echidnae bis zur Huette. Die wie Rehe gesprenkelten Quolls, die wie eine Mischung aus Ratte und Katze aussehen warteten brav an den Wassertanks, da beim Abspuelen immer ein bisschen Essen abfiel. Possums warten da nicht lange, sie sind bekannt dafuer, dass sie gern mal eine Zeltwand durchbeissen, wenn sie Futter riechen. Und im Zelt geraten sie dann in Panik und machen einen Riesenreibauf und zeigen ihre kleinen Zaehnchen den armen verschlafsackten und daher nahezu unbeweglichen Menschen. Nein, da war ich doch irgendwie lieber in der Huette. Eine Nacht Zeltabenteuer mit Eisewind hat gereicht. Ich wachte dann mit Jacke und Muetze im Schlafsack auf...

Ich traf auf einen sehr attraktiven Wetteransager, auf fuenf fussballspielende Maedels, die bewirkten, dass ich mich wie ein rotwangiges Kindchen mit Lackschuehchen fuehlte bei soviel toughem Auftreten. Ich traf auf einen Tasmanier, der als Austausschueler herrliches Schwyzerdeutsch lernte und die siebenjaehrige Emma, die mit Papa und Au pair beachtlich auf Felsen herumkraxelte und sogar noch eine rechte Freude dran hatte. Vor allem Cyrus, der Ranger, war spannend. Er hat Kirschen und Aepfel gepflueckt, betreut den Track und die Wanderer in der Saison von November bis April und stuerzt sich in der restlichen Zeit ins Reisen und in Projekte. Letztes Jahr hat er im Garten seiner Mutter das groesste Tipi gebaut, das er je gesehen hat, in diesem Jahr will er Streckenparagliding lernen. Er ueberlegt, sich noch als Friseur und Portraetzeichner zu trainieren, um im Zustand des Abgebranntseins ein paar schnelle Dollar in der Fussgaengerzone machen zu koennen. Witziger und sehr netter Kerl, dem wirklich an der Umwelt liegt. Er hat nicht viel Zeug, hat er erzaehlt. Ein paar Shirts und zwei Unterhosen, berichtete er vor der Huette. Felicity, die dort Huettenwart ist, sah verschreckt auf. "But they are good ones", warf er daraufhin eilig ein und wir warfen uns fast ins Buttongrass vor Lachen. Ein klein wenig recht hat er ja. Merinoklamotten kann man wirklich sehr, sehr lange anziehen ohne dass sie stinken. Mein Shirt hat mich wieder eine Woche warm und trocken gehalten. Nur fuer die Haare ist noch kein kein Reinigungskraut gewachsen, das die Umwelt nicht verpesten wuerde und so war bald das wirklich erschreckende Stadium erreicht, wo die Haare auch nach Entfernen des Zopfgummis am Abend ihre genaue Position am Kopf behielten. Ohja, da hoere ich ein berechtigtes iiiiiiiiiih! Ist aber alles wieder gut, bin ich doch in der Zivilisation sofort in einem schicken Zimmer gelandet, das Jennifer, eine Bekannte aus Alaska bezahlt hatte. Sie wurde abgeholt und nutzte es daher nicht und da sie schon gezahlt hatte, kam ich in den Genuss. Zudem campte das Rentnerpaar Dennis und Mem neben mir, die mich zu ihrem leckeren Nudelabendessen einluden und mir Waescheklammern liehen, um die mit von den Franzosennachbarn geschenktem Waschmittel gewaschenen Klamotten aufzuhaengen.

Da war es dann auch wieder in Ordnung, dass ich 35 Dollar fuer die Faehre bezahlt hatte. Es handelte sich um ein kleines Boot fuer maximal 23 Passagiere. Und da der Kapitaen das Schiffchen oft lenkt, suchte er sich jemanden, der das fuer ihn uebernehmen koennte. Da war ich auch gleich dabei, lenkte das Boetchen souveraen ueber den See und am Ende rammte ich munter den Steg, da der Wind sich ein Vergnuegen machte. Ist nichts passiert und zumindest ich hatte viel Spass. Spass hat auch Seltendummerhase verbreitet, der aus meinem Rucksack lugte und auf jedem Gipfel dabei war und zu Spruengen in die Wasserfaelle ansetzte. Mit Bunny wie er hier heisst zu reisen, heisst, dass ich mich in ganz ungewohnt alberne Gespraeche verstricke und so mit noch groesserer Leichtigkeit die interessanten von den faden Menschen ausfiltere. Wer sich nicht Bunny abgeben will, ist auch meiner Unterhaltung nicht wuerdig, so!

Eine britische, 42jaehrige Wanderbekannte, die in Townsville, Queensland, Medizin studiert, meinte zum Abschied, es sei sehr inspirierend, mich kennengelernt zu haben. Ich wuerde das Leben wirklich lieben. Was fuer ein schoenes und wirklich von ihr vollstaendig unerwartetes Kompliment!

Leo hat sich in einer Leoaktion nach Brisbane geflogen und seinen Job verlassen, um sich meiner zu versichern. Natuerlich bin ich nicht dort und hatte ihm schon nach seinem letzten mehrtaegigen Saufabenteuer gesagt, dass ich mir ein Leben mit einem derart aktiven Alkoholiker nicht vorstellen kann. Da hilft auch nicht, dass er mir Kompass, Seife und Wandersocken geschickt hatte.

In Hobart bin ich mit dem Bus angekommen und sofort zu Jo(anna)s Arbeit gelaufen. Dort wurde mein Rucksack abgestellt und ich guckte Gitarren an, hatte ich doch am letzten Wandertag immer ein munter Lied auf den Lippen und haette doch gerne Begleitung. Klaviere sind doch nicht ganz reisetauglich. Mag also sein, dass ich bald mit Gitarre herumtingle. Jo hatte gestern einen anderen Couchsurfer, den 60jaehrigen Briten Steve zu Gast, der zum Braten Wein brachte. Die beiden betranken sich ordentlich und ich war wie immer mit meinem Wasser beschaeftigt. Wir hatten eine muntere Unterhaltung ueber Lebensplaene und das Reisen, das wir alle drei intensiv betrieben haben. Hat man erst einmal richtig damit angefangen, sieht man vielleicht sein Leben mehr in verschiedenen Reisestationen. Jo und ich flirteten wild mit dem wachen, attraktiven Steve und ich fuehlte mich von seinem Abschiedskuss und mehr noch seiner Einladung mit ihm Mitte Februar durch Neuseeland zu reisen, sehr geschmeichelt. Erst muss er nun einen zweiwoechigen Paraglidingkurs absolvieren.

Auch Peter, mein Apfelchef, beharrt darauf, dass ich jederzeit gern wiederkommen kann. Verlockend, das. Ich wuerde gerne nochmal so lange in den Baeumen ueber mein Leben nachdenken!

Aber, ja, es stimmt, irgendwie fuehlt sich diese Reise an, als wuerde sie bald gen Deutschland muenden, wo ich mich unglaublich auf eine feine Skitour, vor allem aber auf Freunde freue. Doch der Gedanke, mich wieder auf Jahre an einem Ort niederzulassen ist gerade sehr, sehr ungewoehnlich fuer mich. Mal sehen, wohin ich meine Segel setze.

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