Donnerstag, 4. Februar 2010

Des Lebens beste Pläne






Die Pläne, die das Leben für mich macht, sind viel besser als meine eigenen!

Von Jo wurde ich sehr herzlich verabschiedet. Wir hatten richtig viel Spass, genossen die drei Abende zusammen sehr mit Steve und dann mit guten Filmen („Charlie und Boots“, ein australisches, sehr witziges Roadmovie, „Stanley und Iris“ und „The Holiday“, einer meiner Lieblingsheulfilme). Wir grillten Gemüse, das ich heimbrachte und einer der Hunde, Nina, stahl und einen Laib Fruchtbrot, das ich heimgebracht hatte. Wir haben uns im Supermarkt an der Kasse mit dem garantiert langsamsten Kassierer aller Zeiten, der auch noch meine Zucchini auf den Boden warf, schief gelacht und konnten kaum an uns halten und starrten daher gebannt auf den Parkplatz. Das musste ich mit „Sehr schöner Parkplatz hier“ kommentieren, was den Nachbarkassierer blitzschnell zu uns schauen und Jo vor Lachen losbrüllen liess. Das hatte alles etwas von der Qualität alter Freunde und wir lobten uns gegenseitig mächtig auf Couchsurfingprofil der jeweils anderen.

Der Bus brachte mich in den Freycinet Nationalpark an der Ostküste Tasmanien, wo ich eilig meine Sachen umpackte und einschloss und mich hurtig auf den Weg machte. War es doch schon drei als ich dort ankam und mein Führer sprach von bis zu fünf Stunden Wanderung zu meinem Campingplatz am Strand. Die Strände dort sind gigantisch, mit riesigen Muscheln, Krabben, meist tot und einem toten Pinguin. Der Sand ist weiss, das Wasser sehr klar, grün ins Blaue übergehend und ich musste natürlich auch einen kleinen skinny dip einlegen bevor ich nach weniger als vier Stunden am Zeltplatz ankam wo ich auf die Melbourner Sandra und Devon traf. Die beiden sind Bekannte aus dem Bushwalkingclub und wir hatten eine nette Campingbekanntschaft mit geteiltem Essen, das sich somit in mehrere Gänge für alle verwandelte. Wir reden hier von getrockneten gekochten Früchten und Pudding zum Nachtisch. Luxus pur! Fand auch ein Wallaby, das sich sogar von uns streicheln liess und in der Nacht ums Zelt strich. Vielleicht warens auch Possums, die Devons Müllsack sauberleckten. Der nächste Tag ging über einen kleinen Berg, Mount Graham (579 m), den ich auch ganz beherzt erklomm. Oben genoss ich die Aussicht auf beide Seiten der Halbinsel und plauderte mit einem Engländer und einen Kiwi und wir teilten zwei Kekse, die mir Sandra mitgegeben hatte. Bis ich Blut über meinem linken äusseren Knöchel sah. Ich hatte zuvor nichts gespürt und wusste nicht, woher es kam. Genauere Untersuchung brachte eine Wunde zu Tage, klein und eben blutend. Ich dachte an einen Kratzer, der Kiwi meinte, das könnte ein Schlangenbiss sein und ich war leicht beunruhigt. Ich guckte genau, aber es sah doch alles nach Kratzer aus. Er meinte dann, ach selbst wenn, man könne mich ja tragen und das Gift sei hinten am Kopf der Schlange, das hätte mich bestimmt nicht erreicht. Alles nicht überzeugend. Ich traf auf eine weiter kleine Gipfelstürmergruppe, die Jungs erzählten mir von einem Freund, der den Biss auch nicht spürte und daheim in der Dusche zusammenbrach. Aber nein, das sehe nicht nach zwei Löchern aus, das werde schon nichts sein. Ähm... ja. Nun soll man bei Schlangenbiss stillsitzen und sich nicht anstrengen, verbinden, Glied unterhalb des Herzens halten und auf Hilfe warten. Aber ich war auf dem Gipfel eines Berges, wo kein Hubschrauber hätte landen können und auch sonstiges nicht weiter fruchtbar schien. Nach einer Stunde kriegt man normalerweise richtig Probleme, mit starkem Schwindel und Halluzinationen. Ich beschloss, weiterzulaufen, wissend, dass der Kiwi und der Engländer den gleichen Weg liefen und mich aufsammeln könnten. Ich lief wie eine Blöde, fand den Weg lächerlich einfach und überhaupt nicht wild und vertikal fallend wie im Führer beschrieben. Nach einer Stunde war immer noch alles gut, der Kratzer sah immer noch aus wie zuvor und ich dachte über mein Leben nach. Ein richtig gutes Leben, mit viel Freude und Wärme und Spass und Erlebnissen. Keine Reue. Aber ich will noch mehr davon und ich gestehe, eine Art Stossgebet gedacht zu haben. Immer weiter, ich bin stark, ich kann das, es war keine Schlange. Ein eigentümlicher Zustand. Und dann, kurz vor meinem nächsten Campingplatz kamen mir Sandra und Devon auf der Suche nach Wasser entgegen und er meinte nur, nein, ich brauche keine Hoffnungen auf ein frühes Heldengrab haben, das sei ein Kratzer, sonst hätt ich schon was gemerkt nach der Zeit. Ich war sehr, sehr erleichtert und ging an den Strand, wo mich vor allem die gute alte Erkenntnis nachgerade überschwemmte: ich brauche nur leben und glücklich sein, das ist mein Job hier auf Erden. Leben und alles ist gut. Ein weiteres feines Dinner und alles schien mir bunter, besser und wunderbarer als je. Selbst als der einundsiebzigjährige Devon wieder mal damit anfing, dass in Mitteleuropa wohl nichts ordentlich wächst und wir daher kein Obst und Gemüse haben und wohl wiederum deshalb so viel Fleisch essen, fand ich es nur noch grossartig. Sandra meinte, sie gebe mir gleich ihre Adresse und malte mir auf, wie ich zu ihrem Haus fände. Sie ist 41 und lebt mit ihrer Mutter. Da sie nun aber hier in Tasmanien den Overland Track laufe, könne ich doch wohl gut in ihrem Bett schlafen. Sie riefe die Mutter an und ich könne dann gleich vom Flughafen aus dorthin und auch ein Fahrrad stehe für mich bereit. Ich war hingerissen. Die beiden wollten auf einer Aussichtsplattform campieren bevor sie morgen den Bus um sieben in der Früh nehmen. Nun patroullieren dort aber mehrere Ranger und zelten ist dort verboten. Ich war mir nicht sicher, ob sie sich einen Gefallen tun, aber ich werde später mehr erfahren, wenn sie mir Photos schicken, auf denen ich allzu zahme Wallabies streichle.

Ich wanderte also aus dem Nationalpark gen Besucherzentrum, um mein Zeug zu holen, wurde aber gleich in einem Auto am Parkplatz mitgenommen und auch vom Besucherzentrum hatte ich in fünf Minuten eine Fahrt per Anhalter ins kleine Örtchen Coles Bay arrangiert. Dort ging ich in den Supermarkt für ein selbstgebasteltes Mittagessen mit Guacamole, Fladenbrot, Tomate und Thunfisch (soll mal einer sagen, ich esse nicht gut auf Reisen!) und setze mich auf eine Picknickbank am malerischen Strand. Ich plauderte mit einem Touristenpaar, das mir aber nicht allzu nett schien, so dass ich sie intuitiv nicht nach einer Mitfahrgelegenheit fragte. Kurz darauf kamen Bernard und Margret, die weiter in den Norden nach St Helens wollten und mich gerne mitnahmen und nette Unterhaltung waren. Es war halbfünf Abends und ich hätte gut in St Helens übernachten können, von dort wäre sogar am nächsten Tag in der Früh ein Bus gefahren, wenn auch nur einer und der sicher sündteuer, da es sich um eine private Gesellschaft handelt. Ich guckte kurz ins Internet, ging aufs Klo und dachte mir, ach, ich hab doch nichts zu verlieren, vielleicht kann ich mir nochmal eine Fahrt organisieren. So schlenderte ich mit meinen beiden Rucksäcken gen Ortsausgang und traf auf zwei Leute in der Nähe eines Autos, die ich ansprach, wo ich denn von hier am besten nach Launceston weiterkäme. Ach, meinte der jüngere Kerl, einfach, da vorn ums Eck, ist aber mit der kurvigen Strasse noch drei Stunden, aber mich nähme bestimmt wer mit. Sie meinte, sie fahre in einer halben Stunde in die Richtung, allerdings nur 20 Minuten weiter, wo sie wohne, sie nähme mich aber mit, wenn ich noch dort wäre. Alles gut und schön, ich lief also um die Kurve und streckte meinen Daumen in den Wind. Einmal. Dann kam sie angefahren, war doch alles viel schneller als gedacht, meinte sie, sie nähme mich nun mit. Ich war ein wenig am Überlegen, was ich denn in diesem kleinen Ort, der nicht mal auf der Karte war, tun würde. Aber ich beschloss, nicht zu grübeln. So kamen wir ins Plaudern. Jaja, sie wohne hier, sie arbeite aber in Western Australia, habe nun nur frei. Nach Launceston, ach, das könne mich einen Tag kosten, dorthin per Anhalter zu fahren. Sie fahre aber morgen dorthin, aber eine andere Strecke. Jaja, ich müsse zum Flug, mir sei das wurscht, auf welcher Strecke. Flug, ja sie auch. Wann? Fünf vor zehn übermorgen. Jetstar? Melbourne? Ja, sie auch. Na, ich könne ja in ihrem Bungalow neben ihrem Häuschen schlafen, sei nur etwas staubig, sollte wohl vorher staubsaugen. Zu essen sei genug im Haus und im Garten, sie sei auch wwoofgastgeber und habe hier ihr Land mit eigenem Fluss. Billie ist ihr Name und ich konnte mein Glück nicht glauben. Es lief alles wie am Schnürchen und nun fahre ich sogar morgen nach Launceston und am Tag darauf direkt zum Flughafen. Ich habe dann in Tasmanien für höchstens eine Übernachtung bezahlt und das könnte morgen sein. Das Leben hat da einen verdammt guten Plan für mich!

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