Mittwoch, 16. Juni 2010

Und nun Cambodia



Cambodia. Hier fühle ich mich gleich wohl. Im Flughafen in Kuala Lumpur guckte ich mich um. Ich wollte Unterhaltung. Ich sass einem Herrn gegenüber, der mir das ganze Flughafentreiben fröhlich distanziert zu beobachten schien und ich dachte mir, das ist mein Mann. Wir kamen in eine sehr muntere Plauderei, die erst zweieinhalb Stunden später in Phnom Penh endete, als ich ihn aus den Augen verlor. Im Flugzeug setzte ich mich einfach auf den freien Sitz neben Rod. Das war eine dieser Begegnungen, die mich an gute Bücher erinnern (eigentlich sollte es vermutlich umgekehrt sein): ich treffe jemanden, klicke sozusagen sofort und man hat gleich das Gefühl, man kennt sich seit Ewigkeiten und steigt in eine sehr private und gleichzeitig sehr lustige Konversation ein. Rod aus Kanada reist in seinem Sabbatjahr durch die Welt und schreibt nebenher ein Buch, klarmachen soll, dass business nicht immer böse ist. Kein Wunder, ist er doch Professor für Management in Quebec. Ich habe seine Mailadresse und die Handynummer seiner Gastgeberin, aber wir haben es noch nicht geschafft, uns heute wieder zu treffen. Dafür schickte er mich zu einem Waisenhaus, das von lächelnden Schwestern geführt wird, die mich gleich mit Namen empfingen. Rod muss sich sicher gewesen sein, dass ich auf seinen Rat dort aufkreuzen würde. Morgen werde ich dort als Freiwillige arbeiten und freue mich schon darauf. Als ich erschien, wollten gleich mehrere Kinder auf den Arm genommen werden. Sie bräuchten viel Liebe, sagte man mir, sie kämen aus sehr schwierigen Verhältnissen.

Den Vormittag hatte ich damit verbracht, zu „seeing hands“ zu schlendern. Dort arbeiten blinde Masseure und kneten einen aufs angenehmste für sieben Dollar durch. Man unterstützt sie und profitiert mit Entspannung. Ständig will mich irgendwer mit seinem Mofa oder Tuk Tuk herumchauffieren. Schafft es einer, mich zu einer Fahrt zu überreden verlangt er natürlich das dreifache des normalen Preises und ich habe in der letzten Zeit viel übers Handeln gelernt. Ich liess mich 3km zu S21 fahren, einer Schule, die in ein grosses Folterinstitut umgewandelt wurde, als Khmer Rouge an der Macht war. Die Photos all der Menschen, die hier umgebracht wurden, gingen mir sehr nahe (wem täten sie das nicht?) und natürlich dachte ich sofort an unsere Konzentrationslager, die so offensichtlich parallel scheinen. Ich lese mich in Cambodias Geschichte ein und sehe vor allem, dass zwischen 1975 und 1979 ein Viertel der Bevölkerung für einen schrägen Kommunismus ausgelöscht wurde.

Jeder Cambodianer hat daher Freunde und Verwandte in dieser Zeit verloren. Das vorwiegend buddhistische Land reagiert darauf aber beinahe paradox: ich habe selten Leute gesehen, die mehr Spass haben. Im Museum spielten die Wächter mit einer Gruppe anderer Männer mit dem Hackysack und ich schloss mich an. Wie üblich lachten sie sich schief über meine Wurf- und Passkünste – man lacht die Westler hier gerne aus. Das ist mir aber gerade recht und ich machte auch meine Scherzchen. Man lebt im Moment und hat seine Freude am Leben. Das soll aber auch wenig Umweltbewusstsein nach sich ziehen, was ich freilich schade finde, aber bis jetzt mangels Umwelt, da Hauptstadt, noch nicht gesehen habe. Und dass man den Müll nicht immer in den Eimer wirft, ist hier kein Novum und sicher nicht schlimmer als in den anderen Ländern Südostasiens. Und sicher besser als in Indien. Hier gibt es immerhin Mülleimer! Das im Moment leben hat vermutlich viel mit dem buddhistischen Hintergrund zu tun, wo man glaubt, dass die einzig wesentliche und letztlich einzig existente Zeit jetzt ist. Schon wieder vorbei... Das Lachen ist wichtig, gerade in schwierigen Zeiten. Was nehmen wir uns doch oft viel zu ernst. Ich freue mich auf mehr Cambodia!

Ein weiterer Bonus ist wieder eine nette Couch. Ruta lässt mich in ihrer Wohnung übernachten. Sie und ihr Freund unterrichten hier Englisch und social studies. Ruta hat keines von beiden studiert, nicht einmal in der Schule gelernt und in social studies hat sie sich übers Wochenende eingearbeitet. Beide sind aus Litauen, sprechen sehr gut Englisch, unterhalten sich gern und sind an allem und jedem und vor allem dem guten Leben interessiert. Sehr nette, unkomplizierte Gastgeber mit der Einstellung, was geteilt werden kann, sollte geteilt werden.

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