Dienstag, 8. Dezember 2009

Bezahlter Hansdampf in allen Gassen (besser: Renaissancemann - Frauen durften damals ja nix)








Leo hat sich am Sonntag an die Strasse gestellt und ist per Anhalter innerhalb Minuten nach Nerang zum Zug mitgenommen worden. Nicht schlecht, ist das doch eine halbe Stunde entfernt von hier. Leider hat er sich nicht mal verabschiedet von unseren Gastgebern, sondern ist einfach abgedampft, was ich weniger gut fand. Ich befürchtete, sie würden mir gegenüber sehr ungemütlich, auch wenn es nicht mein Vergehen war. Damit lag ich in gewisser Weise falsch: man brauchte Leo nicht als Anlass zu einigen Ungemütlichkeiten.
Mit potzlerscher Begeisterung hatte ich ihnen erzählt, dass ein Vorstellungsgespräch auf dem Plan stand. Um vier am Sonntag. Obwohl Leo und ich ihnen an unserem freien Tag noch mit Verladen in der Früh um sechs geholfen hatten, war es ihnen aber leider nicht möglich, mich dorthin zu fahren. Man sei schliesslich erschöpft nach dem Markt und könne keine 8 km fahren. So startete ich um zwei, um gegegebenenfalls laufen zu können, was allerdings nicht nötig war. Einen Kilometer weiter wurde ich von einem netten jungen Paar mitgenommen, die mich sogar direkt dorthin fuhren aus reiner Nettigkeit. Luxusautos vor der Tür und ein Schickimickiambiente mit einem schicken Manager, der mir eiskalt vorkam und das Versprechen, mich anzurufen, was dann bis jetzt nicht geschah. Man sagte mir, die hätten dort in den letzten zwei Monaten 32! Leute gefeuert...
Bev hatte Lea und Chris, den beiden jungen deutschen Mitwwoofern vorgeschlagen, dass sie sie mitnehmen könnten zu einem kleinen Örtchen namens Brunswick Heads nahe der Küste. Sie selbst fuhren gen Byron Bay, um dort mit ihren vier besten Freunden zu essen, wie Geoff stolz verkündete. Ich fragte, ob ich mitkönne und erwiderte scharf: nein! Ich fragte, warum nicht, er meinte, da sei nun wirklich keine Zeit. Und ich entgegnete, dass doch die anderen beiden mitdürften und warum ich nicht. Da schoss Bev aus dem Hintergrund und meinte, nein, sie habe die Wwoofer eingeladen, mitzukommen und ich könne natürlich auch mit. Zweimal protestierte er dann noch, dass das ganze unmöglich sei, man könne uns nicht rumkutschieren und habe nun wirklich keine Zeit für sowas. Bev gab nicht nach und wir kamen mit.
Brunswick Heads ist ein nettes kleines Örtchen, mit einem feinen Op-Shop, in dem ich mich für drei Dollar mit schwarzen Schuhen und zwei T-Shirts eindeckte. Ein Salzwasserfluss zum Reinspringen und ein Sandstrand daneben. Immerhin ein kleiner Ausflug, für den ich mich auch mehrmals bedankte.
Und ich wurde zu einem weiteren Vorstellungsgespräch eingeladen ins Bungunyah Resort. Zuvor luden mich aber noch meine Babysittereltern als Wwoofer ein, um Carolyn, die Rezeptionistin ihres Resorts The Escarpment zu unterstützen, wenn sie über Weihnachten wegfahren. Und natürlich auch, um babyzusitten und den Garten zu pflegen und zu streichen. Man könne mir ein Fahrrad leihen und ich könnte auch jobben, um Geld zu verdienen. Sie sind zudem sehr nett und ich stimmte recht begeistert zu.
Vorher musste ich freilich noch Bev und Geoff klarmachen, dass ich am nächsten Tag abreise. Man nahm das gelassen auf, was gut war und als ich erzählte, dass ich noch ein Vorstellungsgespräch hätte. Wie immer kein Kommentar, Mitgefühl oder Interesse. Ich sollte das Zimmer am nächsten Tag säubern und neu beziehen. Als ich das gerade in Angriff nahm, kam Bev einfach ungefragt in der Früh in mein Zimmer und schaute entsetzt: „What the hell is going on here?“ Sie bezog sich auf eine Matratze, die ich von einem Bett aufs andere gelegt hatte, weil die meine mich in eine Kuhle sinken liess, aus der ein Aufstehen unmöglich schien. Ich verteidigte mein bisschen Privatsphäre, das sei ja nun nicht ihre Sache. Sie dampfte ab. Ein bisschen später verabschiedete ich mich in der Küche, wo sie mir den Kommentar mitgab, es sei ja nun hochgradig unwahrscheinlich, dass ich einen Job fände und die mich nähmen. Danke auch! Ich sagte nichts, habe ich doch hier das Klappehalten ein wenig mehr gelernt.
Die Fahrradfahrt auf dem Berg stellte sich nicht nur wegen der Hügel, sondern vor allem wegen der Hitze als schweisstreibend heraus. Ausserdem bin ich nicht mehr in meiner alten Radelkondition. Aber, soviel vorweg: die baue ich nun sicher wieder auf. Ich wurde nämlich trotz oder wegen oder vermutlich doch sehr unabhängig von Bevs Weissagungen genommen und fange heute als Küchenhilfe an. Das Vorstellungsgespräch mit Chefin Kerrie und Koch Herman war nett und auch nicht zu lange. Ich werde helfen, den sogenannten community garden mit aufzubauen, an dem auch Bev und Geoff beteiligt sind. Ich werde abspülen, Vögel füttern und mit einem kleinen Traktor den Rasen mähen, bedienen und Betten machen, ganz nach Bedarf. Lustig ist, dass der Job mit Handyman, uebersetzt Heimwerker oder Handlanger, umschrieben war. Zu dem Job hat mir mein Training dieses Jahr verholfen: Noccundra für Küche und Bedienung, das Wwoofen für die Gartenarbeit. Und die Tatsache, dass ich studiert habe, nahm man freudig, vermutlich, weil es impliziert, dass ich auch ordentlich mit den etwas betuchteren Gästen reden kann. Und nach einer kurzen Hausbesichtigung ging es: Kerrie: What do you think, Herman? Herman: I think, we should grab Andrea straight away, Kerrie! Ich hab mich gefreut wie ein Schnitzel, 18,50 Dollar in der Stunde bei zirka 25 Stunden in der Woche mit 2 Tagen frei- wenn ich da einen Monat arbeite, kann ich mir meine Pläne finanzieren! Ein bisschen länger und ich komme nicht mal abgebrannt heim. Meine Interviewer wirken kernig und nett, auch wenn zu befürchten ist, dass das im Stress etwas untergeht. Wenn ich aber vor allem mit Herman im Garten arbeite, steht Gutes zu hoffe. Meine Schichten sind quer verteilt, manchmal recht früh (6 Uhr erster Spatenschwung) und dann am Abend nochmal, was sich geteilte Schicht nennt. Ich glaube, ich packe diese Herausforderung gut für eine Weile! Zumal ich mich sogar in deren Pool abfrischen darf und vermutlich auch in irgendeinem Eck uebernachten kann, wenn ich erst Spaetschicht bis zwoelf und dann wieder Fruehschicht um 6 im Garten habe.
Ich hoffe, dieser Job lässt sich mit meinen Wwoofingaufgaben kombinieren, werde ich doch gerade am Wochenende oft dort in der Früh sein müssen, das wäre aber die Zeit, in der man mich auch zum Frühstückhelfen für die Gäste in The Escarpment an meinem Wwoofingplatz bräuchte. Verhandlung, Diplomatie sind gefragt. Aber ich bin begeistert, wie sich alles in so kurzer Zeit gefügt. Auch wenn die viele Zeit nun nicht mehr da ist, zu zeichnen, malen und lesen. Dafuer bin ich nun babysittender Handlanger mit Bedienungs- und Kuechenpflichten. Klingt nicht nach Langeweile...

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